Grenzgänger: Alles was Sie wissen müssen

Deutschland hat neun Nachbarländer. Das sind neun Grenzen und jede bietet Möglichkeiten für Grenzgänger. Wer im Grenzgebiet lebt, der kann leicht im Nachbarland arbeiten und so einige Vorteile des Auswanderns genießen, ohne Deutschland den Rücken zu kehren.

Schild an der deutschen Grenze

Hier gebe ich einen Überblick zum Thema, bevor wir uns in weiteren Artikeln den einzelnen Ländern zuwenden. Es ist wichtig, die grundlegenden Themen zu kennen, ehe Sie sich dem Land Ihres Interesses zuwenden.

Was bedeutet Grenzgänger im Arbeitsrecht?

Grenzgänger sind Menschen, die im deutschen Grenzgebiet leben und im angrenzenden Nachbarland arbeiten. Sie kreuzen die Landesgrenze, um zur Arbeit zu gelangen und erneut nach Arbeitsschluss – in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich. (VO (EG) Nr. 883/ 2004)

Was bedeutet Grenzgänger im Steuerrecht?

Steuerrechtliche Aspekte sind in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt. Es kommt immer darauf an, in welchem Land Sie arbeiten. Wir gehen auf die einzelnen Nachbarländer weiter unten ein. 

Begriffsklärung

Landläufig werden die Bezeichnungen Grenzgänger und Grenzpendler als bedeutungsgleich behandelt. Aber im Steuerrecht ist es anders. Was ist hierbei der Unterschied?

Nach dem deutschen Steuerrecht wird zwischen Grenzgängern, Grenzpendlern und Mehrstaatern unterschieden: 

  • Grenzgänger haben ihren Wohnsitz in einem EU-Staat (also z.B. Deutschland), arbeiten jedoch in einem angrenzenden Land. Deutschland hat neun Nachbarländer. Im Gegensatz zum Auslandsarbeiter (Expat) kehren Grenzgänger werktäglich nach Hause zurück.
  • Grenzpendler leben im benachbarten Ausland und arbeiten (überwiegend) in Deutschland. Das tun sie selbstständig oder für ein Unternehmen.
  • Mehrstaater arbeiten regelmäßig in mehr als einem Land oder sind grenzüberschreitend für verschiedene Arbeitgeber tätig.

Ihre Vorteile als Grenzgänger

  • Im Nachbarland finden Sie möglicherweise leichter Arbeit als in Deutschland.
  • Im Nachbarland finden Sie vielleicht einen ähnlichen Job, und zwar besser bezahlt.
  • Als Grenzgänger können Sie u.U. Ihre Steuerlast senken.

Und was ist zu beachten?

  • Sie müssen Ihre Krankenversicherung auf ihre Situation anpassen.
  • Unbedingt zu prüfen ist die Pflegeversicherung, hier v.a. das Pflegegeld.
  • Dass Sie in einem anderen Land angestellt sind, muss auch in den Pflichtversicherungen abgebildet werden: Rentenversicherung, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.
  • Ihre steuerlichen Pflichten und Möglichkeiten sind nur mit unabhängiger Beratung auszuloten.

Besteuerung als Grenzgänger

Die OECD nennt die Besteuerung im Quellenstaat als Normalfall. Wir müssen hier  unterscheiden:

  1. Quellenstaat: Das ist der Staat, wo Sie Geld verdienen. Als Eselsbrücke: Quellenstaat ist das Land, in dem Ihre Geldquelle sprudelt.
  2. Wohnsitzstaat: Wo Ihr Hauptwohnsitz ist.
Quelle in einer Bergwiese

„Zahle deine Steuern dort, wo du arbeitest.“

Die Grundregel heißt: „Zahle deine Steuern dort, wo du arbeitest.“ Wenn aber der Grenzgänger in beiden Staaten im grenznahen Gebiet bleibt, wird doch meist im Wohnsitzstaat besteuert. Es kommt also auf das konkrete Land an, in dem Sie von Deutschland aus arbeiten.

Für die Besteuerung der Grenzgänger sind die Doppelbesteuerungsabkommen maßgebend. Es gibt verschiedene Fälle.

  1. Wohnsitz-Besteuerung: Der Grenzgänger wird im Wohnsitzstaat besteuert (so z. B. nach dem französisch-belgischen Doppelbesteuerungsabkommen).
  2. Ebenfalls greift die Wohnsitz-Besteuerung, wenn Sie sich als Arbeitnehmer in dem anderen Staat weniger als 183 Tage pro Kalenderjahr aufhalten. Dann hat der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht.
  3. Quellensteuer: Der Grenzgänger wird in dem Land besteuert, in dem er arbeitet. So haben z.B. die Niederlande und Deutschland die Frage geregelt.
  4. 2 Länder = 2x Steuerpflicht: Es ist auch noch möglich, dass der Grenzgänger in beiden Staaten Steuern zahlen muss.

Deutsche Pendler fahren 17,2 km zur Arbeit

Als Entscheidungshilfe für Sie, aktuelle Zahlen zu den Pendlerstrecken in Deutschland: Zum Stichtag 30. Juni 2022 arbeiteten 20,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nicht in der Kommune, in der sie wohnten. Innerhalb eines Jahres stieg ihre Zahl um 700.000.

  • 7,1 Millionen fuhren mehr als 30 Kilometer zur Arbeit, das war eine halbe Million mehr als im Jahr 2021. 
  • 3,9 Millionen Menschen legten mehr als 50 Kilometer zurück (Vorjahr: 3,6 Mio.)
  • Der durchschnittliche einfache Arbeitsweg beträgt 17,2 Kilometer. 

Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Oktober 2023; dpa

Empfehlung fürs Gehaltskonto

Da Sie im Nachbarland arbeiten, ist Ihr deutsches Bankkonto nicht mehr das perfekte Gehaltskonto. Sie sollten sich ein zusätzliches Konto zulegen. Das tun Sie entweder bei einer Bankfiliale am Arbeitsort oder Sie eröffnen ein kostenloses Online-Konto, das noch viel mehr kann.

Sprache bei Behörden

Für Grenzpendler gehört es zum Alltag, dass sie bei Behörden Anträge stellen oder Dokumente einreichen müssen, die in der Landessprache abgefasst sind. Das kann eine große Hürde sein.

Welche Regeln gelten hier? Welche Pflichten und Rechte haben Grenzgänger? Vorweg: Auch in Ihrem EU-Quellenstaat können Sie Anträge oder Dokumente einreichen, die in deutscher Sprache verfasst sind.

Die Verordnung (EG) 883/2004 bestimmt in Art. 76 Abs. 7, dass die Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaates Anträge oder sonstige Schriftstücke, die in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates abgefasst sind, entgegennehmen müssen.

„Die Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaats dürfen die bei ihnen eingereichten Anträge oder sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückweisen, weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaats abgefasst sind, die gemäß Artikel 290 des Vertrags als Amtssprache der Organe der Gemeinschaft anerkannt ist.“

Art. 76 Abs.7


Das heißt: Jeder Grenzgänger hat das Recht, bei Behörden in seinem Arbeitsland Schriftstücke in Deutsch einzureichen!

„Behörde“ sind u.a. Finanzbehörden oder die Familienkassen für das Kindergeld.

Sprache beim Arbeitgeber

Bitte beachten Sie: Gegenüber Ihrem Arbeitgeber gilt das eben Gesagte wahrscheinlich nicht. Ebenso wenig, wenn Sie zu einer Bank gehen, um ein Gehaltskonto zu eröffnen.

Zu den EU-Amtssprachen zählen:

Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch (Gälisch), Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. (Grundlage: „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, Art. 342)

Sonderfall? Grenzüberschreitende Telearbeit

Auf Dauer gestellte Heimarbeit kam mit Covid-19 auf. Zuerst gab es nur Regelungen für diese Phase, jetzt wurde eine Dauerregelung erstellt.

Was ist Telearbeit?

Damit ist eine bestimmte Art Heimarbeit gemeint: Die Tätigkeit wird ortsunabhängig erbracht und könnte auch beim Arbeitgeber gemacht werden, aber das ist i.d.R. nicht der Fall. Sondern

  1. Der Arbeitnehmer arbeitet in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, in welchem sich der Sitz des Arbeitgebers befindet und
  2. Telearbeit stützt sich auf IT, um mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers sowie zu Beteiligten/Kunden in Verbindung zu bleiben, um die vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

Seit einigen Jahren werden immer häufiger Arbeiten im Rahmen von Telearbeit ausgeübt. Hierunter versteht man, dass Tätigkeiten an anderen Orten, meist zu Hause, ausgeübt werden. Telearbeit wird durch IT Einsatz  ermöglicht. Das muss nicht dauerhaft sein, aber regelmäßig und notwendig für die Arbeitsabläufe.

Telearbeit und „Grenzgänger“?

Es geht um das anwendbare Sozialversicherungsrecht: Dafür ist der physische Arbeitsort ein entscheidendes Kriterium. Folglich kann die Ausübung von Telearbeit zu einem Wechsel des Sozialversicherungsrechts führen, wenn der Angestellte nicht im Staat des Arbeitgebersitzes wohnt. Dies wäre dann der Fall, wenn die (Tele-)Arbeit im Wohnstaat einen Anteil von 25% übersteigt.

Die gute Nachricht: Ein multilaterales Rahmenübereinkommen der EU ermöglicht Beschäftigten ab 01.07.2023, dass unter bestimmten Voraussetzungen im Wohnstaat bis zu 49,99 % der Gesamtarbeitszeit in Form von Telearbeit erbracht werden kann und dennoch das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaats gilt, in welchem der Arbeitgeber ansässig ist.

Heißt: Telearbeit wurde an die Grenzgänger-Regelungen angepasst, auch sozialversicherungsrechtlich. Mehr Info bei der DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland).

EU-Recht und Festlegungen der Europäischen Union

Bevor Sie sich auf die Arbeitssuche im Nachbarland begeben, sollten Sie sich über den dortigen Arbeitsmarkt informieren und über das Sozial­versicherungssystem im Beschäftigungsland (manchmal auch: Quellenland, Quellenstaat). Die Abkommen der Europäischen Union regeln verbindlich viele Aspekte zwischen den Mitgliedsstaaten. Zugleich sind noch deutliche Unterschiede zu erkennen.

Arbeitnehmerfreizügigkeit. Jeder EU-Bürger darf in jedem Mitgliedstaat Arbeit suchen und ausüben, ohne dafür eine Arbeitserlaubnis zu benötigen. Außerdem darf er in jedem EU Land seiner Wahl wohnen. Er ist in Bezug auf die Beschäftigung, die Arbeitsbedingungen und andere Sozialleistungen gleich wie die Bürger des jeweiligen Landes zu behandeln.

Anerkennung von Abschlüssen. Eine Anerkennung ist nur notwendig, wenn die berufliche Qualifikation unter die reglementierten Berufe des Tätigkeitslandes fällt. Das ist zum Beispiel bei Ärzten, Lehrern, oder Richtern der Fall.

Arbeitssuche. Ein arbeitsloser Bürger eines EU-Staates darf sich bis zu drei Monate (evtl. sogar sechs Monate) zur Arbeitssuche in ein anderes EU-/ EWR-Land oder in die Schweiz begeben. Währenddessen darf man die Arbeitslosen­versicherung seines Wohnsitzlandes weiter beziehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Folgende EU-Verordnungen bzw. Beschlüsse sind für Grenzgänger besonders relevant:

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Text von Bedeutung für den EWR und die Schweiz) und fortführend Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Text von Bedeutung für den EWR und die Schweiz)

Landesspezifische Grenzgänger-Regelungen

Mehr zu unseren Nachbarländern:

Belgien, Frankreich in Kürze…

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