In den letzten Jahren hatte ich bei den Auswanderungszielen den Fokus auf EU Länder gelegt. Diese Vorentscheidung sollte man heute überdenken. In diesem Artikel gehts um die Frage, WARUM? Warum sollte man vielleicht außerhalb der EU suchen?

Was spricht für die Europäische Union? Die Freizügigkeit, dazu die klimatischen, landschaftlichen und kulturellen Unterschiede auf (vergleichsweise) engem Raum – also bei überall guter Erreichbarkeit jedes Ortes. Vergleiche es mit Australien oder einer Insel im Pazifik, dort kommt man nicht mit Individualreiseverkehr hin. Das sind also einige Pluspunkte. Auf die Freizügigkeit will ich zunächst genauer eingehen.
Personenfreizügigkeit in der EU
Die Personenfreizügigkeit ist ein zentrales Grundrecht innerhalb der Europäischen Union (EU). Sie erlaubt es Bürgerinnen und Bürgern der EU-Mitgliedstaaten, sich innerhalb der Union frei zu bewegen, in einem anderen Mitgliedstaat zu leben, zu arbeiten, zu studieren oder eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen – ohne besondere Genehmigung. Und darum ist auch das Auswandern innerhalb der EU einfacher als in viele andere Länder, weil man keine Visa benötigt. Du meldest dich in Ort A ab und in Ort B an, fertig.
Dieses Recht gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Familienangehörige, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit. Es kann sein, dass bei Auswanderern geprüft wird, ob ausreichende finanzielle Mittel vorhanden sind, insbesondere bei Nichterwerbstätigen. Eine Krankenversicherung im Zielland ist günstiger als die Weltreise-Krankenversicherungen, oft genügt sie auch, aber das muss im Einzelfall geprüft werden.
Wie kam die EU auf die Idee? Die Personenfreizügigkeit sollte den Binnenmarkt fördern, den Arbeitsmarkt durch Mobilität stärken und zur ‚europäischen Integration‘ beitragen. Einschränkungen werden nur aus besonderen Gründen im Einzelfall angeordnet. Ein Nischenthema, könnte man meinen, aber daran zeigt sich, dass die ehernen Vorzüge von einst erodieren.
Verbunden mit der Niederlassungsfreiheit ist die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen in der EU sowie das Recht auf Gleichbehandlung in Beschäftigung, Sozialleistungen und Bildung.
Wer es genau wissen will: Personenfreizügigkeit ist im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und in der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG geregelt. Sie ist eine der vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts – neben dem freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr.
Damit kommen wir zu den Problemen, in die sich die Europäische Union manövriert hat. Auf dem Hintergrund wird man die Idee nochmal neu überdenken müssen, wenn Auswandern dann innerhalb der EU. Echt? Schauen wir lieber woanders, die Welt ist um einiges größer.
Zunächst aber zu den Herausforderungen. Die Europäische Union steht derzeit vor vier zentralen Herausforderungen:
1. Problem: Ökonomischer und technologischer Wettbewerbsdruck
Europa verliert zunehmend an globalem Gewicht: Der Anteil am Welt-BIP ist seit dem Jahr 2000 von rund 25 % auf etwa 16 % gesunken, das ist ein Rückgang um fast ein Drittel. Der EU-Anteil sinkt, während Asien auf über 30 % zulegte (Europäisches Parlament). Die mangelnde Innovationskraft—besonders in KI, Halbleitern und Cloud-Technologie—geht auf zu geringe Investitionen und eine fragmentierte Forschungslandschaft zurück. Die EU investiert nur rund 2,3 % ihres BIP in Forschung und Entwicklung – weit weniger als die USA oder Südkorea (Intereconomics).
2. Problem: Geopolitische Spannungen und Lieferabhängigkeiten
Der Krieg in der Ukraine gegen Russland sowie die zunehmenden Handelskonflikte mit den USA und China zeigen Risiken: Europa ist stark abhängig von China und von russischer Energieversorgung. Das schwächt seine strategische Autonomie – ich komme darauf zurück. DGAP schreibt, dass Europa seine Aufgabe in der Welt neu (er)finden müsse. Nur, wer soll das machen?
Noch ein Wort zu „Autonomie“: Wenn man vom Markt ausgeht, dann handeln alle Marktteilnehmer aus Eigeninteresse zu ihrem Vorteil. Natürlich brauchen sie, was der andere hat, sonst wären sie nicht dabei! Niemand redet derweil davon, dass der Verkäufer abhängig von seinem Kunden sei (oder umgekehrt) – beide wollen, jeder hat, was der andere braucht. Aber sobald man von der Perspektive des Marktes auf die der Politik wechselt: vom Geschäftemachen zu Mein Revier und dem Begriff Macht, dann ist jeder freie Handel plötzlich Abhängigkeit. Da kommt man nicht raus! (Außerdem erinnere ich daran, dass die Abhängigkeit der EU von Russland auch Russland an die EU bindet, Abhängigkeit ist nie einseitig, sondern zweiseitig. Wer die eigene Abhängigkeit bekämpft, befreit damit auch die andere Partei).
Das nur nebenbei.
3. Problem: Verteidigung und institutionelle Fragmentierung
Die EU verteidigt sich bislang primär national. Es gibt kaum gemeinsame Ausgaben im EU-Haushalt, es mangelt an effizienter Koordination und europäischer Rüstungsstrategie. Kritik kommt vom EESC: Rund 78 % der Beschaffungen fließen an Nicht‑EU-Anbieter, die Verteidigungsausgaben bleiben unkoordiniert niedrig.
Diesen Zustand hat kürzlich US-Präsident Trump geändert, 5% BIP stehen jetzt auf dem Papier. Abzuwarten bleibt, was das ändert.
4. Problem: Politische Uneinigkeit und mangelnde demokratische Legitimation
Interministerielle Vetos in Schlüsselbereichen (z. B. Migration, Ukrainekrieg) blockieren Entscheidungen. Das Erfordernis von Einstimmigkeit erschwert Reformfähigkeit und Flexibilität (Quelle). Zusätzlich schafft das als undemokratisch empfundene Gleichgewicht zwischen EU-Institutionen eine Legitimitätslücke – das Parlament hat kaum formale Gesetzesinitiative, während nationale Parlamente stärker eingebunden bleiben (Wikipedia ).
In der Summe heißt das, dass die Union sich neu erfinden müsste. Wer? Die Europäische Union sich selbst. Also nochmal: Wer? Wer ist das? Die Beamten der EU? Es ist fraglich, wer hier als Subjekt eingesetzt werden sollte, könnte. Ich sag’s also mal wie ein Politiker: Diese vier Probleme sind Herausforderungen und sie verdeutlichen, dass die EU dringend ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit steigern, institutionelle Reformen vorantreiben, strategische Souveränität ausbauen und demokratische Strukturen stärken muss – sofern sie ihre globale Rolle behaupten will. Oder besser: zurückgewinnen will.
Für dich als Auswanderer
Das waren jetzt einige Aspekte, die ziemlich abstrakt klingen. Für dich und jeden Auswanderer wird es aber gleich konkret, wenn sich die Frage stellt, wohin es gehen soll. Die alte Ausrichtung: suche ein Land in der Europäischen Union … das ist doch fraglich geworden. Denn diese vier Probleme löst keiner von heute auf morgen. Und sie machen tagtäglich allen das Leben schwer! Egal, ob in Deutschland, Spanien oder Bulgarien.
Darum werde ich im nächsten Teil Alternativen außerhalb der EU in den Blick nehmen.