Im Interview: Ein neuer Lebensabschnitt in Italien

Catherine Magnani ist vor vielen Monaten nach Italien in die Toskana ausgewandert. Im Interview erzählt sie, wie lang der Weg von Deutschland nach Italien war und vermittelt einen Eindruck, wie es sich in Italien leben lässt – dem Land, das die deutschen Massenmedien hinter Schlagworten wie „Krise!“, „Schulden!“ und „Regierungswechsel“ fast vergessen haben.

Warum sind Sie ausgewandert, was gab den Ausschlag?

Mir war der Gedanke nicht neu, weil ich schon seit Teenagerzeiten die Sehnsucht nach einer anderen Umgebung hatte. Als ich nach dem Abitur mehrere Monate lang in London gelebt habe, war mir klar, dass ich kein Typ bin, der schnell von Heimweh geplagt wird und so blieb der Gedanke lange im Hinterkopf. Durch mein Studium und die sich anschließende Arbeit ergab sich allerdings lange keine Möglichkeit, das Land wirklich zu verlassen. Erst ein Burnout im Jahr 2011 machte dann den Weg frei, weil ich mein Leben mit einer neuen Qualität jenseits des Einkommens ausstatten wollte.

Warum fiel die Wahl auf Italien?

Ich bin nach Italien gegangen, weil dort mein Mann herkommt und wir über mehrere Jahre lang bereits eine sehr stressige Fernbeziehung geführt haben, die wir so nicht weiterführen wollten. Persönlich hatte ich nie eine große Affinität zu Italien, es war nie ein Sehnsuchtsland, auch wenn mir durchaus die mediterrane Lebensweise immer sehr gefallen hat. Ich glaube, es war im Endeffekt sogar besser nicht in ein Sehnsuchtsland gegangen zu sein, denn so fehlte mir von Anfang an die rosarote Brille, die einen sicherlich mehr Fehler machen lässt und mehr Realismus heißt auch oft weniger Enttäuschung.

Wer begleitete Sie?

Niemand, ich habe den Schritt alleine vollzogen.

Wie war die Reaktion der Familie und von Freunden?

Die Reaktionen ware sehr gemischt. Einige wunderten sich, wie ich einen sicheren Job mit hohem Einkommen aufgeben konnte, um in eine unsichere Zukunft zu starten. Andere zeigten sich beeindruckt, weil sie selbst gerne so einen Schritt unternommen hätten, aber keine Chance sahen oder am Ende doch der Mut fehlte. Erstaunlich viele haben meine Entscheidung allerdings nachvollziehen können und gleich angekündigt mich besuchen zu wollen. Einzig die Familie kam mit der Entscheidung überhaupt nicht klar und hat sehr lange versucht mich von dem Vorhaben abzubringen.

Wieviel Geld nahmen Sie mit?

Ich habe ca 10.000€ mitgenommen.

Eröffnete Ihr Beruf Ihnen besondere Chancen?

Ja, das würde ich schon sagen. Als Lehrerin für Deutsch und Englisch konnte ich zwei Sprachen professionell verwenden, die vor Ort wirklich gefragt sind. Meine Einsatzgebiete waren damit gleich vielseitig, von Unterricht und Übersetzungen zu Berichten und touristischen Aktivitäten.

Hatten Sie einen bestimmten Wohnort als Ziel?

Da ich zu meinem Partner gezogen bin, kam nur sein Heimatort Massa in der Toskana in Frage. Wir hatten auch überlegt, uns an einem anderen Fleck anzusiedeln, aber sein Beruf, seine Familie und Freunde vor Ort waren am Ende ausreichende Gründe, um ebenfalls dort zu bleiben.

Woher kannten Sie diesen?

Ich glaube, ich hatte vorher noch nie von dieser Stadt gehört. Carrara, die Nachbarstadt, ist jedem doch irgendwie ein Begriff, aber Massa lernte ich erst kennen, als wir unsere Beziehung begonnen. Die Stadt selbst ist keine Augenweide, aber sie liegt sehr schön gelegen, genau zwischen den apuanischen Alpen und dem Meer. Vom Strand bis zum Bergsteigen kann man dort wirklich alles unternehmen.

Wer half Ihnen bei den ersten Schritten?

Da ich zu meinem Partner gezogen bin, blieben mir sehr viele Hürden dieser Art erspart.

Wie organisierten Sie die Wohnung, den Hauskauf, etc.?

Vor kurzem sind wir aus beruflichen Gründen nach Genua gezogen, also musste ich schließlich doch noch auf Haussuche gehen. Ich habe etwa vier Monate lang nach einer passenden Bleibe gesucht und konnte immerhin auf meine Erfahrungen aus Massa zurückgreifen. Wir wollten nicht im Stadtzentrum wohnen, wir brauchen auf jeden Fall Grün um uns herum und gleichzeitig musste die Infrastruktur stimmen, zu einsam gelegen durfte das Haus also auch nicht sein. Ich habe schließlich etwas Passendes gefunden, der Umzug selbst wurde dann von meinem Partner und seiner Familie organisiert, leider ziemlich chaotisch und typisch italienisch.

Welche Erfahrungen machten Sie mit den Behörden?

Da ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe – die italienische Bürokratie ist ja nun mal überall sehr verschrien – war ich auf alles vorbereitet. Ich habe viele klassische Situationen erlebt, z.B. bekamen wir eine Vespa einfach nicht angemeldet, obwohl wir einen halben Tag zwischen verschiedenen Behörden hin- und hergependelt waren, ebenso war meine eigene Aufenthaltsgenehmigung so eine Sache, die länger gedauert hat als nötig. Aber es gab auch sehr erfreuliche Erfahrungen, z.B. waren in der Gemeindeverwaltung in Genua alle Mitarbeiter, mit denen ich zu tun hatte, ausgesprochen freundlich, hilfsbereit, zügig und kompetent. Das hat mich mehr umgehauen als all die Probleme, die es sonst immer wieder bei Behördengängen gegeben hat.

Wo und wann machten Sie Urlaub?

Urlaub ist für uns nicht drin. Wir arbeiten sehr viel und in der aktuellen Wirtschaftslage ist ein Urlaub auch ein finanzielles Problem. Wir geben Geld also aktuell lieber für Tagesausflüge aus, für Kino oder Restaurants.

Wie fanden Sie Bekannte und Freunde?

Für mich als Partnerin eines Italieners war es eindeutig leichter einen Freundeskreis aufzubauen. Sowohl meine Schwiegerfamilie als auch die Freunde und Kollegen meines Mannes haben mich gleich adoptiert und somit war ich Teil des Geschehens. Gerade in Massa als Kleinstadt sah ich, dass sich die Personen eines Jahrgangs durch die Bank alle kannten, sei es aus der Schule, vom Arbeiten oder durch Freunde. Wer einen kennt, kennt bald auch andere aus dessen Umkreis und dieses Netzwerk schien mir für ganz Außenstehende nicht so leicht zu betreten zu sein. Hätte ich meinen Partner nicht gehabt, hätte man mir sicherlich viel mehr Skepsis entgegengebracht und auch weniger Chancen ein Teil zu werden. Inzwischen fühle ich mich gut integriert, habe sowohl eigene italienische Freunde als auch deutsche Freunde vor Ort.

Welche beruflichen Erfolge konnten Sie verzeichnen oder Rückschläge mussten Sie hinnehmen?

Beruflich muss man hier einiges einstecken können. Als Vorteil würde ich nennen, dass man hier leichter verschiedene Tätigkeiten ausüben kann, für die man in Deutschland immer gleich eine Ausbildung vorweisen muss. Aber das war’s dann auch schon an Vorteilen. Als Freiberufler erlebe ich leider auch immer die wirtschaftliche Krise aus erster Hand. Immer mehr Schüler beispielsweise können sich meinen Unterricht nicht mehr leisten, immer weniger nehmen an meinen Seminaren teil. Wo auch immer ich versuche Klienten zu werben, sagt man mir oft, dass es durchaus viel Bedarf gäbe, aber es sei finanziell einfach nicht drin. Das ist frustrierend. Ich schaue aber immer, dass ich mich nicht nur auf lokale Aktivitäten versteife, und so bin ich in ganz Italien unterwegs und arbeite auch an Projekten, die mit Deutschland zu tun haben oder anderen Ländern. Am Ende sind von der Krise alle irgendwie betroffen.

Wie oft besuchen Sie Deutschland?

Durchschnittlich alle acht Wochen. Ich kann nie zu lange an einem Flecken sitzen, dann vermisse ich etwas. Und mir ist es auch sehr wichtig, den Kontakt zu Familie und Freunden in Deutschland zu halten.

Wie stehen Sie heute zum auswandern? Haben Sie an Rückkehr gedacht?

Ich sehe eine Auswanderung nicht als Entscheidung „per sempre“. Es gibt für alles Phasen. Im Moment bin ich hier in Italien, und fühle mich wohl hier, aber ich kann mir auch vorstellen, an anderen Orten zu leben, z.B. in einer englischsprachigen Gegend. Die Welt ist immer so stark in Bewegung, alles ändert sich laufend, ich kann mir nicht vorstellen, bis ins hohe Alter hier in Genua zu sein. Dafür gibt es zu viele interessante Ecken zu sehen. Ich habe hin und wieder auch überlegt, wieder nach Deutschland zu gehen, aber im Moment ist die Zeit noch nicht reif dafür.

Frau Magnani, danke für das Interview!

(veröffentlicht August 2014, letzte Bearbeitung Mai 2022)

Wermutstropfen: Das Leben in Italien ist teuer

Es gibt ein starkes Nord-Süd Gefälle. Das bezieht sich auch auf Jobs, Preise, Mieten, auf alles was Geld einbringt oder kostet: Das Leben in Norditalien ist teurer als im Süden. Das müssen Auswanderer unbedingt einplanen.

Wohnen und Miete

Die Italiener haben größtenteils Wohnungseigentum. 72 % ihrer Wohnungen sind Eigentumswohnungen. Mietwohnungen sind also rar. Für Einwanderer ist es daher besonders schwer zu mieten:

  1. kennen sie als Neuankömmlinge keinen,
  2. sind Mietwohnungen relativ teuer und häufig in schlechtem Zustand.

Für Auswanderer bedeutet das längeres Suchen. An dem ersten Punkt (keinen zu kennen) lässt sich aber was ändern. Der Engpass nötigt dazu, eigene Kontakte aufzubauen, auf persönliche Empfehlung angewiesen zu sein (oder zu viel zu bezahlen). Freundschaften knüpfen kostet Zeit, dafür bereitet es einen besser auf das neue Leben vor. Hierzu bieten sich Urlaubsaufenthalte an oder eine Sondierungsreise in das Gebiet, in das man ziehen will.

Lebensmittel und Restaurantbesuche

Die Lebensmittelpreise lagen bis vor kurzem in Italien 2,1 Prozent über dem europäischen Durchschnitt (lt. EURES-Studie von 2021). Also deutlich über ostdeutschen Preisen, ungefähr gleich mit Großstadtpreisen in Baden-Württemberg. Auswanderer sparen beim Einkauf, wenn sie auf dem Wochenmarkt einkaufen. Besonders für Frischware zu empfehlen.

Insgesamt – und das gilt jetzt landesweit – sind die Durchschnittskosten für Verbrauchsgüter und Dienstleistungen etwas teurer als in Deutschland. Andererseits zeigen einem die Italiener, dass sie die Herausforderung (Zumutung?) meistern können, ohne auf die angenehmen Seiten des Lebens zu verzichten.

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