Betreutes Wohnen in Paraguay

Familie Müller* aus Bremen will raus aus Deutschland und in Paraguay ein neues Leben beginnen. Mit einem Projekt für „Betreutes Wohnen“ sollen auch andere Menschen diese Chance erhalten. Wir sprachen über die Motivation zum auswandern, ihre Sicht auf die Bundesrepublik und den Projektfortschritt.

Bitte schildern Sie kurz, warum Sie auswandern möchten.

Es gibt eine Menge Gründe, die den Rahmen sprengen würden sie hier aufzuzählen. Hier aber die wichtigsten:

Deutschland ist kinderunfreundlich, Kinder und Job passen nicht mehr zusammen. Von Datenschutz wird nur geredet, geben tut es ihn nicht. Um den Sozialstaat aufrecht zu erhalten, sind immer mehr Steuern und Abgaben vonnöten, wobei die Hälfte davon unter Abzocke läuft. Das wäre allerdings gar nicht vonnöten, würde man keine Grillpartys für je 20 Millionen Euro feiern und Millionen anderer Euro in ausgebomte Länder stecken, die uns nichts angehen sollten.

Ebenso ist der sogenannte Aufschwung eine Lüge, um den Bürger zu beruhigen. Ein wichtiger Grund ist noch die zunehmende Gewalt und Krimminalität mit der verbundenen lächerlichen Rechtssprechung.

Was bedeutet Ihnen „Familie“ und wodurch sehen Sie Ihre Vorstellungen in Deutschland gestört?

Familie bedeutet zusammen sein und Zusammenhalt. Für uns ist dies hier nicht mehr möglich. Als ich (und noch drei Geschwister) noch Kind war, ging mein Vater (Zimmermann von Beruf) morgens um 6.30 Uhr aus dem Haus und kam gegen 16.30 uhr nach Hause, freitags sogar gegen Mittag. Meine Mutter war Hausfrau. Das Geld was mein Vater nach Hause brachte, reichte für alles aus, inkl. Urlaub. Ich muss heute 12 Stunden und mehr arbeiten, um nur einigermaßen über die Runden zu kommen und einen Urlaub können wir uns nicht mehr leisten.

Zudem kommt der lange Tag, den man von der Familie getrennt ist. Es kommt vor, dass ich meine Kinder tagelang nur abends schon schlafend sehe. Solche langen Arbeitstage bringen viel Stress mit, den man mit nach Hause trägt und der sich dort manchmal ausbricht und Unbeteiligte trifft.

Erinnern Sie sich noch an den ersten Aufenthalt in Paraguay? War es „Liebe auf den ersten Blick“ oder wuchs Ihnen das Land erst mit der Zeit ans Herz?

Als wir das erste mal in PY ankamen, waren wir schon ein wenig geschockt. Es war total anders, irgendwie unaufgeräumter als wir es gewohnt sind. Ist man erst einmal ein paar Tage dort und lernt die Mentalität der Menschen kennen und versucht, sie zu verstehen, mag man es. Mit der Zeit erkennt man die Vorzüge des Landes wie weniger Bürokratie, sehr viel mehr Freiheiten, ausgeglichene ruhige und freundliche Menschen.

Sie haben mehrere Hektar Land in Melgarejo gekauft. Wie ging der Grundstückskauf vor sich?

Wir stießen im Internet auf dieses Grundstück und ich habe dann den Kontakt hergestellt. Nach einigen Mails bin ich nach PY geflogen und habe mir das Grundstück vor Ort angesehen. Nachdem man sich einig war, ging es zum Notar, der die Papiere des Besitzers prüfte. Diese waren in Ordnung, und so konnte ein Kaufvertrag gemacht werden. Danach trennten sich die Wege des Verkäufers und des Käufers wieder.

Der Notar gab alle Angaben zum Katasteramt nach Asuncion, wo die Maße und die Lage des Grundstückes sowie alle anderen Angaben geprüft wurden. Nach ein paar Wochen kommt dann der offizielle Titel des Grundstückes mit Eintrag des neuen Besitzers zum Notar zurück, womit dann alles besiegelt ist. Beim nächsten PY Aufenthalt holt man sich den dann dort ab.

Sie planen in Paraguay eine Anlage für betreutes Wohnen. Für wen ist sie gedacht und welche Voraussetzungen sollten Interessenten mitbringen?

Eigentlich für alle Menschen, die nicht allein sein wollen und für solche, die es schwer haben, mit ihrem kleinen Einkommen in Deutschland zu überleben. Ebenso auch krankheitsbedingte pflegebedürftige Menschen bis zu einem Grad, der individuell abgesprochen werden muss. Besondere Voraussetzungen gibt es keine, außer den Mut zum auswandern.

Betreutes Wohnen in dem Rahmen (für deutsche Auswanderer, familiäre Atmosphäre, viele Möglichkeiten der individuellen Mitgestaltung) ist m.E. ungewöhnlich. Wie entstand diese Idee?

Die Idee entstand, als wir irgendwann in den Medien erfahren haben, dass eine Rentnerin in ihrer Wohnung erfroren ist und sie dort mehrere Tage in Wolldecken gehüllt in ihrem Sessel saß. Ihre Rente war zu klein, um die Heizkosten zu begleichen, da hat man einfach unmenschlich die Heizung abgestellt. So etwas darf es nicht geben. Für mich sind das Menschen, die nach dem Krieg und dem Wiederaufbau höchste Anerkennung verdienen.

Es kann einem doch nicht gefallen, irgendwo in einer Hochhaussiedlung im fünften Stock jeden Tag nur am Fenster zu sitzen und die Straße zu beobachten, obwohl ich schön im Garten bei Sonnenschein werkeln oder einem schönen Hobby nachgehen könnte.

Gibt es Förderungen für Ihr Projekt oder arbeiten Sie mit Deutschen in der neuen Wahlheimat zusammen? 

Nein, es gibt keine Förderung, es wird komplett privat finanziert, es gibt auch keine anderen Deutschen, die dabei mitwirken. Sollte sich jedoch jemand angesprochen fühlen, um hier mit zu wirken und er nicht den kommerziellen Wert, sondern den menschlichen Wert sieht, sollte er sich bei uns melden.

Wie ist der aktuelle Stand (Juni 2008) – und gibt es schon einen Termin für die ersten Anwohner?

Das Ganze ist erst angelaufen und muss die Menschen, die es betrifft und die eine Veränderung nicht scheuen, erst erreichen. Es muss schon eine gewisse Anzahl von Leuten da sein, die das Vorhaben zum Leben erwecken.

Wie nehmen ihre Kinder die Umzugspläne ans „andere Ende“ der Welt auf? Gibt es in Melgarejo eine deutschsprachige Schule?

Die beiden Kleinen freuen sich sehr, da sie dann nicht mehr so viel anziehen müssen, die Große hat ein wenig Bedenken, was den Verlust der Freunde hier angeht. Es gibt zwei Schulen in Independencia, die in Frage kommen. Von diesen Schulen gehen auch keine Probleme aus, um später in Paraguay zu studieren oder ähnliches.

Wie sind die bisherigen Reaktionen von Freunden und Bekannten? Überwiegend Verständnis und Akzeptanz oder Kopfschütteln?

Sowohl als auch, einige sind in ihrem Alltag so einzementiert, dass sie nie etwas im Leben verändern würden, schon gar nicht auswandern. Andere würden sogar gern mitkommen, wenn sie eine Möglichkeit finden würden.

veröffentlicht: 25.06 2008
aktualisiert: 03.08. 2009 Das Projekt „Betreutes Wohnen“ wurde eingestellt; * Name auf Wunsch des Interviewpartners geändert.

9 Kommentare

  1. Betreutes wohnen in Paraguay
    Na das war wieder mal ein echter Luftballon mit dieser Story.
    Leute wann endlich begreift ihr, dass es bisher kein realisiertes betreutes Wohnprojekt in Paraguay gibt.

    „Die fünfköpfige Familie Reinfandt aus Bremen will raus aus Deutschland und in Paraguay ein neues Leben beginnen. Mit dem Projekt „Betreutes Wohnen“ sollen auch andere Menschen diese Chance erhalten. Wir sprachen über die Motivation der Reinfandts, ihre Sicht auf die Bundesrepublik und den Projektfortschritt.“

    Das sind Träumer die überhaupt keine Ahnung von Paraguay haben
    sie sollten da bleiben wo sie sind, in Paraguay haben sie nichts verloren. Geschweige noch so ein Projekt in Paraguay realisiren zu können.
    Auch hier gilt ohne Moos nichts los.

    Leute vergisst es, es wird NIE ein realisiertes Projekt betreutes wohnen in PY geben, weil die Nachfrage zu klein und die Finanzierung sich keiner leisten kann.

    Träume bleiben Schäume

    Einfach mal ein bisschen hier lesen und sich mit der Realität abfinden
    http://www.antiabzocker.net

    saludos
    Antonio de Paraguay

    Antworten
    • Danke für deine Expertise.
      Antonio, wie du überzeugend vorgeführt hast, ist das Vertreten der Gegenposition eine sehr sichere Stellung und – für den, der es mag – komfortabel. Aber was folgt daraus?

      Was könnte deiner Ansicht nach passieren, wenn du obigen Beitrag nicht geschrieben hättest? Und wer hat in Paraguay etwas verloren? Vielleicht kommen wir so der Frage näher, worum es dir im konstruktiven Sinn geht.

      Nichts für ungut
      Knut

      Antworten
      • Betreutes wohnen in Paraguay
        Hallo Knut
        Zitat:
        Was könnte deiner Ansicht nach passieren, wenn du obigen Beitrag nicht geschrieben hättest?

        Es könnte passieren dass zu naive Träumer unsanft aus ihren Träumen erwachen und dabei ihr sauer Erspartes schneller verlieren als sie denken können.
        Ganz abgesehen davon dass die Gesundheitsversorgung, ganz besonders wichtig im Alter, in Paraguay unter aller S… ist.
        Alle muss bar bezahlt werden, bevor sich auch nur ein Krankenwagen im Notfall bewegt! Ja richtig gelesen!
        Krankenversicherungen sind in PY ein Witz.
        Bei schöner Landschaft, Sonnenschein und viel warm mit steigender, brutalster Kriminalität lässt sich wohl kaum ein beruhigter Lebensabend verbringen.

        Da sind die auswanderungswilligen Rentner zuhause in ihrer Heimat mit dem doch einigermassen bestehenden sozialen Netz weit besser abgesichert als in Paraguay, dem 3 Weltland am Ende der Welt.

        Wer finanziell abgesichert ist alles aus eigener Tasche bezahlen kann, dem kann weiss Gott keiner Paraguay als Auswanderungsland empfehlen, da gibt es weit bessere Alternativen, mit gutem Klima, weniger Kriminalität und einer funktionierenden Gesundheitsversorgung.

        Wer ins Unglück rennen will, der gehe nach Paraguay

        Antonio de Paraguay

        Antworten
        • Welche Länder sind besser?
          Hallo Antonio,

          es freut mich, dass du bei dem kontroversen Thema so inhaltlich geantwortet hast – danke! 🙂 Auswanderungswillige anzuhalten, sich ihr Vorhaben gut zu überlegen, und nicht mit Wunschdenken alles nicht Passende passend zu machen – soweit stimme ich dir zu. Dass ich deine kritische Sicht auf PY nicht teile, ist eine andere Sache. Belassen wir’s bei der Feststellung.

          Privat zu bezahlende Gesundheitsbetreuung halte ich persönlich für die bessere und langfristig tragfähige Lösung. Wettbewerb führt immer zu einem besseren Angebot als subventionierte, politisch orientierte Versorgung. Ganz zu schweigen von den verdeckten Kosten, die bei unseren gesetzlichen Kassen massiv querfinanziert werden. Damit will ich aber nichts über die Gesundheitssysteme in Deutschland vs. Paraguay sagen, denn die dortigen Verhältnisse kenne ich zu wenig.

          Frage: An welche Länder hast du gedacht, als du von den besseren Alternativen zu PY schriebst?

          viele Grüße
          Knut

          Antworten
          • Welche Länder sind besser?
            Hallo Knut

            Eine weit bessere Alternative zu Paraguay ist URUGUAY !
            Die Schweiz Südamerikas
            Die Lebenskosten sind etwas teurer als in PY aber die Lebensqualität weit besser. Es gibt auch Möglichkeiten sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In Paraguay kannst das vergessen.
            Wer nach Südamerika auswandern will, dem kann ich
            nur empfehlen sich mal etwas eingehender über Uruguay
            zu informieren. Es ist die Perle Südamerikas.

            Ich bin selbst derzeit daran meine Umsiedlung zu bewerkstelligen.

            Saludos y suerte an todos
            Antonio

  2. Weiterkämpfen
    Auch wenn es nicht so einfach ist wie man sich das vorgestellt hat, die Zielstrebigkeit wird sich lohnen.
    Solche Projekte sind gefragter als man denkt.
    Sicher bedeutet das Kraftaufwand und vollen Einsatz, aber
    es gibt Menschen die nur auf so eine Chance des Verbringens
    des Lebensabends oder besser gesagt der zweiten Lebenshälfte warten. Der Zusammenhalt und das Gefühl der Zusammengehörigkeit wird immer stärker, gerade in Zeiten der Krise. Also Kopf hoch und weiter voran….
    Wir freuen uns wieder von Euch zu hören.
    Viel Glück und Geduld wünscht Ihnen
    M. Lenz

    Antworten
  3. Arbeitssuche!
    Hallo
    Auch ich plane, Ende 09 Anfang 2010 auszuwandern. Nur nicht Als Pflegefall, sondern um zu arbeiten, bin zwar Handwerker habe aber über 2 Jahre Lang alte Menschen und Behinderte betreut. Läuft Euer Projekt noch und wie könnte man da einsteigen?
    mfg: Mathias

    Antworten
  4. Interesse an betreutem Wohnen
    Ihre Idee finde ich sehr interessant. Mein Mann ist leider auch durch einen Schlaganfall und Knochenproblemen in seiner Beweglichkeit (gehen und vor allem Treppen steigen) schon eingeschränkt. Ich selbst könnte mir vorstellen mich in Ihr Projekt mit einzubringen. Wir sind mittlerweile beide in Rente (langt gerade so zum Überleben) und tragen uns seit längerer Zeit mit dem Gedanken nach Paraguay auszuwandern.
    Vielleicht können Sie uns ja noch etwas berichten über den Fortgang Ihres Projektes.

    Mit vielen Grüssen

    Antworten
  5. betreutes wohnen Paraguay
    Hallo,ich finde Eure Idee prima und würde mich sehr freuen von Euren Erfahrungen und Fortschritten zu hören bzw. zu lesen.Ich hatte 2008 im Juli einen Schlaganfall und bin jetzt
    1 Jahr zu früh Rentner geworden, aber Gott sei Dank bin ich nur gehbehindert, aber bis 100 oder 200 Meter gemütlich gehen schaffe ich schon. Nach dem es bei uns immer toller wird trage ich mich auch mit dem Gedanken hier alles abzu brechen und zu verschwinden.Meine Frau ist Altenpflegerin und hat leider noch 10bis 12 Jahre zu arbeiten. aber auch sie wird nur eine winzige Rente bekommen da sie keine Deutsche ist und erst seit 8 Jahren in Deutschland ist. na ja ich wäre erfreut von Euch zu hören. tschüssi Manfred

    Antworten

Schreibe einen Kommentar