Tapetenwechsel und der geschäftliche Neuanfang in Dubai

Skyline von Dubai City

Sie sind 2014 von Deutschland nach Dubai ausgewandert. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen, warum wollten Sie weg aus Deutschland?

Letztlich war es ein schon länger bestehender Drang nach etwas Neuem, einer Art Tapetenwechsel. Dies wurde weiter genährt durch politisch/gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland bzw. der EU, die ich bereits damals als problematisch empfand und die sich aus meiner Sicht in der Zwischenzeit fortgesetzt bzw. beschleunigt haben. Hierzu kamen noch zwei am eigenen Leib erfahrene Fälle deutscher Behördenwillkür und meine Entscheidung war gefallen.

Sie sind seit dem Jahr 2006 im Immobilienmarkt tätig. Wie hat das angefangen?

Seit dem Jahr 2002 haben wir uns unter anderem mit der Auflage und Betreuung geschlossener Fonds befasst. Dubai interessierte uns dahingehend zunächst als Standort für die steueroptimierte Anlage in Wertpapiere. Als wir uns im Jahr 2004 vor Ort umschauten, sahen wir das immense Potenzial in dem noch jungen Immobilienmarkt, der erst im Jahr 2002 für ausländische Käufer geöffnet worden war. Vor allem aber erkannten wir immer mehr das wirtschaftliche Potenzial dieser jungen Metropole, die ihre Dynamik u.a. aus ihrer außergewöhnlich guten Lage zwischen Ost und West, ihrer hervorragenden Verkehrsanbindung, aber auch ihrem Charakter als sicherem Hafen in der Großregion verdankt.

In den kommenden Jahren wird das Wachstum vermehrt auch durch den Handel mit und die Anbindung an China mittels der neuen Seidenstraße („Belt and Road Initiative“) generiert werden.

Dubai City ist eine Weltstadt voller Superlative; ist sie aus Ihrer Sicht auch noch irgendwie ‚arabisch‘, und wenn ja, wie zeigt sich das?

Zunächst: Was beim Blick durch die deutsche Brille oft übersehen wird, ist, dass der vermeintliche Gigantismus oftmals schlichtweg Pragmatik ist. Wenn Sie z.B. durchschnittliche jährliche Wachstumsraten bei den Passagierzahlen von 15% sehen, macht es eben Sinn, einen neuen Flughafen hinsichtlich seiner finalen Ausbaustufe entsprechend großzügig auszulegen. Natürlich ist dieses Wachstum nicht linear und so legt der Deutsche dann gern den Finger in die Wunde, wenn die nächste Ausbaustufe in einer Wachstumsdelle um ein paar Jahre verschoben wird.

Dubai ist durchaus arabisch und die Emiratis legen Wert darauf, ihre Traditionen zu pflegen. Zwar sind die Einheimischen mit rund 30% der Bevölkerung absolut in der Minderheit, man darf aber nicht vergessen, dass sich auch im Bevölkerungsanteil der Expats viele Araber aus der Levante oder Nordafrika sowie andere aus aller Herren Länder mit arabischen Wurzeln finden. Die Stadtteile um den Dubai Creek (Bur Dubai, Deira) vermitteln typisch arabisches Flair und sind dabei zumindest mehrheitlich authentisch. Gleichwohl darf man nicht vergessen, dass Dubai bereits vor dem Ölboom recht schnell vom kleinen Fischerdorf zu einer Art Oberzentrum gewachsen ist. In Umkehrschluss bedeutet dies, dass man jahrhundertealte Kultur – verkörpert durch Gebäude oder Gegenstände – hier im Gegensatz zu mancher europäischen Metropole tatsächlich vergeblich sucht.

Dubai verbindet Orient und Moderne

Welchen Personen würden Sie Dubai als neue Heimat empfehlen und wem nicht?

Dubai ist ein absoluter Schmelztiegel einer Vielzahl von Kulturen und Nationalitäten und Toleranz wird hier tatsächlich großgeschrieben. Demgemäß sollten potenzielle Auswanderer eine gewisse interkulturelle Kompetenz mitbringen, was auch das Beherrschen anderer Sprachen (wenigstens Englisch) umfasst. Egal ob als Angestellter oder Selbständiger: In Dubai ist Eigeninitiative gefragt, staatliche Unterstützung oder finanzielle Absicherung jeglicher Form gibt es hier für Expats nicht. Der Wettbewerb im Arbeitsmarkt ist hart und die Arbeitszeiten sind normalerweise deutlich länger als in Deutschland. Zudem unterschätzen Deutsche oft, wie teilweise gut qualifiziert und dabei hinsichtlich des Gehalts genügsam viele Absolventen aus Indien oder Fernost sind. Durchsetzungsvermögen und Eigenverantwortung sind insofern ein Muss.

Allerdings ist es vergleichsweise leicht, sich von Deutschland aus um einen Job in den VAE zu bemühen. Man muss nicht, wie in anderen Auswanderungsländern, zunächst Einreise- und Arbeitsgenehmigung erhalten, bevor man sich bewerben kann. Man kann dahingehend den Prozess quasi umkehren und sagen: „Bekomme ich einen Job, gehe ich hin, wenn nicht, bleibe ich hier.“

Bewusst sein sollte man sich in jedem Fall der Tatsache, dass die VAE auch nach jahrzehntelangem Aufenthalt im Land keine Einbürgerung in Aussicht stellen. Wer also auf der Suche nach seiner neuen Heimat „für immer“ incl. einer neuen Staatsbürgerschaft ist, wird woanders besser aufgehoben sein.

Besonders für Unternehmer, die regelmässig nach Asien oder Ostafrika reisen müssen oder anderweitig internationales Geschäft organisieren müssen, kann Dubai als Standort interessant sein.

Schildern Sie doch bitte mal drei wesentliche Unterschiede zwischen Dubai und Deutschland.

Dubai ist deutlich schnelllebiger als Deutschland, mit allen Vor- und Nachteilen.

Dubai hat weniger Bürokratie und ich fühle mich hier – entgegen der wohlgepflegten Vorurteile (keine Demokratie, Scharia etc.) – viel freier als in Deutschland.

In Dubai herrscht eher eine „Can-do“-Attitüde vor. Dies bedeutet auch, dass die Leute sind im Schnitt positiver sind und anderen nicht den Erfolg neiden. Auch in Bezug auf die Behörden hat man den Eindruck, dass man hier im Gegensatz zu Deutschland eher versucht, bei Problemen gemeinsam mit dem Bürger eine Lösung zu finden, anstatt sich schlicht auf den Gesetzeswortlaut zurückzuziehen und den Antragsteller bspw. mit der Forderung allein zu lassen.

Welche drei Tipps würden Sie einem Deutschen geben, der darüber nachdenkt, nach Dubai auszuwandern?

Besuchen Sie die Stadt! Auch mal etwas länger als der typische Tourist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man beim Besuch mit dem Hintergedanken einer möglichen Auswanderung vieles anders wahrnimmt. Wir haben damals vier Wochen bei Freunden zur Untermiete gewohnt und uns bereits nach Wohnungen umgeschaut und Kindergärten und Schulen besichtigt

Suchen Sie sich einen Job oder machen Sie sich einen Plan, was Sie in Dubai machen möchten. Hiermit ist die Frage verbunden, worauf das Aufenthaltsrecht von Ihnen und Ihrer Familie basieren soll. Grundsätzlich kann dies ein Arbeitsverhältnis in den VAE sein, eine eigene Firma oder eine Immobilie. Ein Artikel, der diese Themen ausführlich beleuchtet, findet sich hier (externer Link). Das Portal richtet sich ausschließlich an deutschsprachige Kunden.

Machen Sie sich einen Plan B. Wie kann ein geordneter Rückzug aussehen, falls Sie Ihren Job verlieren oder Sie, Ihre Frau oder Ihre Kinder das neue Umfeld einfach nicht mögen. Lassen Sie sich auch kompetent steuerlich beraten, besonders, falls Sie Immobilien oder anderes wesentliches Eigentum wie z.B. Geschäftsanteile in Deutschland haben und sie somit weiterhin steuerlich in Deutschland ansässig bleiben.

Und welche drei Dinge vermissen Sie am meisten bzw. stören Sie?

Manchmal vermisse ich bestimmtes Essen wie z.B. nur bei uns in der Region verfügbare Wurst oder Brot. Ein anderer Punkt sind die nicht vorhandenen Jahreszeiten. Zwar ändern sich die Temperaturen im Jahresverlauf deutlich, aber die Farben in der Natur sind immer gleich.

Die Schnelllebigkeit Dubais kann auch nerven. Dass sich Prozesse in Firmen oder Behörden ständig ändern, dass der persönliche Ansprechpartner bei der Bank nun schon wieder in einer neuen Filiale sitzt. Oder dass die Leute, mit denen man sich gerade angefreundet hat, sich nun entscheiden, nach Kanada zu gehen.

Sollte man lernen, Arabisch zu sprechen oder reicht Englisch?

Englisch reicht im Alltag vollkommen aus und ist zweite Amtssprache, natürlich zeigt es einen gewissen Respekt gegenüber der lokalen Kultur, ein paar Worte Arabisch zu können. Tatsächlich kenne ich keinen Expat ohne arabische Wurzeln, der fließend Arabisch kann.

Wie haben Familie und Freunde in Deutschland reagiert, als sie erfuhren, dass Sie auswandern?

Die meisten mit Erstaunen, aber Verständnis, einige wenige sahen den Schritt kritisch. Bei letzteren hatte ich den Eindruck, dass es meistens Vorurteile gegenüber dem Land oder der Kultur waren, die zu einer gewissen – teilweise auch eher unterschwelligen – Ablehnung meiner Entscheidung geführt haben.

Wie haben Sie neue Freunde gefunden?

Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit hier hatte ich schon einige Kontakte und sogar Freundschaften vor Ort. Viele dieser sind mittlerweile bereits weitergezogen, so dass sich unser heutiger Freundeskreis aus Bekanntschaften aus Sport, Nachbarschaft und schulischem Umfeld zusammensetzt. Dabei ist interessant, dass Deutsche in unserem heutigen persönlichen Umfeld (fast) keine Rolle spielen.

Wie eng sind heute Ihre Kontakte nach Deutschland?

Natürlich wird der persönliche Kontakt zu alten Freunden in Deutschland durch die physische Distanz seltener. Umso mehr habe ich den Eindruck, dass die echten Freundschaften trotz des selteneren Kontakts bestehen bleiben. Und selbstverständlich haben wir noch Familie in Deutschland, die wir regelmäßig besuchen.

Christian Atzert ist seit 2006 als selbständiger Berater in der Immobilienbranche in Dubai tätig und in 2014 dorthin ausgewandert. Er betreibt unter anderem die Webseite Property-blog-dubai.com und schreibt für Fachmagazine im Finanzbereich.

veröffentlicht: 11.11. 2019

Bilder von Judith Scharnowski, Hans-Jürgen Schmidt / Pixabay

2 Kommentare

  1. „ich fühle mich hier – entgegen der wohlgepflegten Vorurteile (keine Demokratie, Scharia etc.) – viel freier als in Deutschland.“

    Mmmhh, da haben aber einige Frauen schon ziemlich schlechte Erfahrungen mit gemacht. Als Frau hat man im Grunde keine Rechte und ist immer Schuld.

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  2. Ich kann leider den Punkt, was die Immobilie betrifft nicht nachvollziehen.
    Wenn man sich eine Immobilie kauft, was man als Ausländer ab einer bestimmten Summe darf, hat man keine Rechtssicherheit dort lange leben zu dürfen.
    Hinzukommt, dass man sollte es wirklich einmal zu einem Rechtsstreit kommen, man Ausländer ist. Was als Recht auf dem Papier steht, muss nicht mit der Praxis übereinstimmen.

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