Interview mit Tobias Steinert (Polen)

Polen – ein attraktiver Arbeitsmarkt!

Interview mit Tobias Steinert

Du bist 2021 nach Polen ausgewandert. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen, warum wolltest du weg aus Deutschland? 

Foto Tobias Steinert
Tobias Steinert ist nach Polen ausgewandert, denn hier sind die Job- und Karrieremöglichkeiten sehr gut und die Mentalität gefällt ihm / Foto: © Tobias Steinert

Für mich stand schon seit 2019 fest, dass ich unbedingt auswandern wollte – in den Osten. Warum? Weil ich 2014 damit begann, Russisch im Eigenstudium zu lernen sowie im postsowjetischen Raum zu reisen. Ich schloss sowohl dort, als auch in Bulgarien und Bosnien, viele Kontakte. Mir gefiel die Lebenseinstellung der Menschen dort sehr. Außerdem konnte ich mich immer weniger mit den Werten identifizieren, die in Deutschland zum Alltag gehören. Als ich mich dann Anfang 2022 intensiver und ganz konkret auf die Auswanderung vorbereitet hatte, standen zwei Länder in der engeren Auswahl: Bulgarien und Polen. 

Für Polen sprach insbesondere die vorteilhafte Arbeitsmarktsituation für deutschsprachige Bewerber sowie die ebenfalls sehr vorteilhafte geographische Lage. Obwohl ich im Mai 2021 zuerst ein Angebot aus Thessaloniki, Griechenland hatte, entschied ich mich für Polen – und ich bereue es nicht!

Was hattest du in Deutschland vorher gemacht?

Ich habe erfolgreich eine Ausbildung zum staatlich geprüften Fremdsprachenkorrespondenten mit der 1. Fremdsprache Russisch und der 2. Fremdsprache Englisch abgeschlossen. 

Du bist, seit du in Polen bist, schon mehrmals umgezogen. Was war der Grund? Und wo hat es dir bisher am besten in Polen gefallen?

Die ersten 6 Monate hatte ich in Warschau gelebt. Dort war ich in meinem ersten Job bei einer deutschen Firma angestellt, die im Affiliate Marketing tätig ist. 

Zunächst herrschte Anwesenheitspflicht im Büro, später im Jahr konnten wir auch zu 100% von Zuhause aus arbeiten. Als dann der Mietvertrag auslief und ich bis auf die Hauptstadt noch nichts vom Land gesehen hatte, entschloss ich mich, in eine andere Stadt zu ziehen und von dort aus remote zu arbeiten. Eine Arbeitskollegin empfahl mir Lodz. 

Gesagt, getan. Also zog ich dorthin und lebte auf der Ulica Piotrkowska komfortabel im schönsten Gebäude der Stadt. Dort lebte ich 8 Monate. Dann erhielt ich ein lukratives Angebot einer anderen Firma. Die neue Stelle erforderte Anwesenheit in der neuen Stadt – also zog ich nach Krakau.

Krakau ist auch die Stadt, die mir im Polen bis jetzt am besten gefällt: Viel Kultur, viele Studenten, international – super Stadt! 🙂

Du machst einen Blog über das Auswanderer-Leben in Polen. Und du bist angestellt. -Was ist dir daran wichtig? Warum sagst du nicht, wenn die Arbeit vorbei ist: „Das war’s, das reicht mir für heute?“

Die Motivation, warum ich www.auswandern-polen.de betreibe ist, dass ich Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit exklusiven Informationen versorgen möchte und ihnen dabei helfe, nach Polen auszuwandern und eine Arbeit zu finden.

Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?

Ich stehe um 6 Uhr auf, habe meine Morgenroutine und beginne vor 8 Uhr mit der Arbeit und beende diese meistens gegen 16 Uhr. Dann gehe ich entweder zum Sport (früher hatte ich Pilates gemacht, jetzt boxe ich), gehe in die Sprachschule Polnisch lernen.

Außerdem kümmere ich mich um meinen Blog – recherchiere, schreibe Artikel. Ich überlege, wie ich die Webseite weiter verbessern kann und knüpfe (Geschäfts-)kontakte!

Wie bist du auf Polen gekommen? 

Die Arbeitsmarktsituation in Polen ist sehr vorteilhaft. Egal, ob man ein abgebrochenes Studium oder Berufsausbildung hat, über Berufserfahrung verfügt und sich umorientieren möchte oder einfach den nächsten Schritt in seiner Karriere gehen möchte – Polen ist ein attraktives Land!

Leider ranken sich immer noch viele Mythen über das Arbeiten in Polen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, damit aufzuräumen und empfehle den Lesern insbesondere folgenden Blogartikel:

5 Mythen über das Arbeiten in Polen – Auswandern nach Polen

Bist du komplett weg aus Deutschland? Also keine Adresse mehr, keine Steuerpflicht, keine Krankenkasse? Oder hast du noch einen Fuß in der Tür?

Nein, ich bin komplett aus Deutschland abgemeldet: Keine Meldeadresse mehr, kein Bankkonto, keine Krankenversicherung. Es war eine bewusste Entscheidung.

Jeder, der aus Deutschland rausgeht oder auch nur ans Auswandern denkt, zieht ja irgendwie einen Vergleich zwischen Deutschland und dem Zielland. Frage: Was ist in Polen besser als in Deutschland? Anders gefragt: was spricht aus deiner Sicht für Polen? 

Die Wirtschaft in Polen boomt. Jedes Jahr lagern immer mehr Unternehmen Teile ihrer Geschäftsprozesse aus. Vor 10 – 15 Jahren waren es hauptsächlich Produktion und Kundenbetreuung. Mittlerweile sind es aber auch Marketing, Buchhaltung, Personalwesen, IT.  Das sind sowohl deutsche Unternehmen, als auch internationale Unternehmen, die auf dem deutschsprachigen Markt operieren. 

Generell wird das Arbeiten in Polen auch etwas anders gesehen, als im DACH-Raum. Während in Deutschland immer großen Wert auf formale Qualifikationen und einen „roten Faden“ im Lebenslauf gelegt wird, zählen in Polen soziale Kompetenzen wie Können (relevante praktische Erfahrungen die bisher gesammelt worden sind, aber man in einem deutschen Lebenslauf nicht angeben würde), Motivation und Lernbereitschaft. 

In Polen spielen auch die Sprachen, die man fließend beherrscht, eine große Rolle. Wenn man sich für eine Position bewirbt, die Deutschkenntnisse erfordert, sind diese auch in den allermeisten Fällen das Hauptkriterium. In Polen herrscht das Denken vor „Es ist einfacher einem Arbeitnehmer den Job beizubringen, als ihm eine Fremdsprache beizubringen“.

In Deutschland ist vieles über Tarifverträge abgedeckt, während in Polen Gehaltsverhandlungen üblich sind. Der Vorteil für deutsche Muttersprachler ist, dass sie häufig von einem Sprachenbonus profitieren können, der ihre Deutschkenntnisse honorieren soll.

Inside arbeiten in Polen – wie Sie als Deutscher bis zu 2000 PLN mehr Gehalt bekommen! – Auswandern nach Polen (auswandern-polen.de)

Wenn man sich so umguckt, für welche Menschen Polen empfohlen wird, dann sind typische Antworten: Arme Rentner, digitale Nomaden und Studenten. Das ist vielleicht nicht falsch, aber hilft auch nicht, weil es zu allgemein ist – in dieses Schema fällt nämlich oft der ganze ehemalige Ostblock. Frage: Wem empfiehlst du das Auswandern nach Polen?

Ich empfehle Polen insbesondere deutschsprachige Personen, die zwischen 18 – 60 Jahre alt sind und arbeiten möchten. Polen bietet für jeden deutschen Muttersprachler große Chancen. Chancen, die man häufig in Deutschland nicht bekommt und die man auch unbedingt nutzen sollte!

Da in Polen die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge deutlich niedriger sind, als in Deutschland ist das auch eine interessante Option für Selbstständige aus Deutschland, die jeden Monat allein 800 € an die Krankenversicherung abführen müssen, aber in Polen dafür nur ein paar Zloty zahlen müssen.

Wie lernst du die polnische Sprache?

Ich gehe 2 Mal pro Woche in die Sprachschule.

Deine 3 Tipps für Deutsche, die sich fürs Auswandern nach Polen interessieren?

  1. Programmiert euch mental neu! Das was ihr aus Deutschland kennt, ist in Polen anders!
  2. Informiert euch vor eurer Auswanderung gründlich, aber wenn ihr das Gefühl habt, es könnte passen, dann macht auch den Schritt!
  3. Besucht regelmäßig meinen Blog! Ich veröffentliche immer neue Artikel. Bei Fragen, dürft ihr mich gerne kontaktieren!

Was müsste passieren, damit du nach Deutschland zurückkehrst?

Es müssten grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen stattfinden, aber vorher wird Bayer Leverkusen deutscher Meister. 🙂

Tobias, danke für die spannenden Einblicke in dein Leben in Polen! Und alles Gute 🙂

(Die Fragen stellte Knut Gierdahl. Das Interview haben wir per Mail geführt) VÖ: 15.01.2023

1 Kommentar

  1. „…interessante Option für Selbstständige aus Deutschland, die jeden Monat allein 800 € an die Krankenversicherung abführen müssen, aber in Polen dafür nur ein paar Zloty zahlen müssen.“

    Aber dabei wird schnell vergessen, daß man für einen Versorgungsstandard wie in DE dann eine zusätzliche private Vollkostenversicherung braucht. Und die kostet ein paar hundert €€€, zu zahlen aus dem doch deutlich niedrigeren Einkommensniveau in PL – wie gewonnen, so zerronnen 😎 Gar nicht zu reden davon, daß man viele Behandlungen und Medikamente in PL nicht mal mit einem Koffer voller €€€ kaufen kann, es gibt sie schlichtweg nicht.

    Derselbe Fallstrick ist die Rentenversicherung – viele Selbständige in DE brauchen da nicht einzuzahlen und können selber vorsorgen – das geht in PL nicht: man zahlt üppig ein und bekommt hinterher ein Trinkgeld wieder raus.

    Man muß vorher seine Mathehausaufgaben machen, ansonsten kann es ein unschönes Erwachen geben…wo man in PL definitiv spart: bei der Kfz-Steuer, die gibt es nämlich nicht 😍

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