Was ist der Kulturschock? Wie gehe ich damit um? Teil 2

Wandbild - fremde Kultur

Im 1. Teil ging es um die Erfahrung der Kontingenz und die damit verbundene Angst, dass man selber spinnt. Sachlich ausgedrückt: Die psychische Kontinuität wird in Zweifel gezogen. Jetzt im 2. Teil: Warum einem das überall auf der Welt passieren kann. Und was können wir vom Verliebtsein für den Neustart als Auswanderer lernen.

Teil 1: Kulturschock, Kontingenz, und was ich tun kann.

In Phase 2 (Entfremdung, Leid):

Intensivieren Sie die Kontakte zu Einheimischen. Suchen Sie zu den neuen Nachbarn einen Umgang zu entwickeln, wie Sie ihn zu den alten in Deutschland hatten. Vor allem: Prüfen Sie Ihre Ziele! Daran hängt alles, auch, ob es sich lohnt zu bleiben oder besser ist, wieder zu gehen.

In Phase 3 (Einigelung):

Stellen Sie sich ins Gericht – Wovor laufe ich eigentlich weg? Ich wollte raus aus Deutschland. Ich ging raus. Jetzt will ich wieder weg?!

Fällt Ihnen etwas auf? Sie laufen ständig vor etwas weg. Sie werden es weiter tun, wenn Sie nicht herausfinden, was das ist.

Kulturschock ist nicht abhängig von einer Region

Gegen Kulturschock ist niemand immun. Kulturschock betrifft nicht nur den, der in den Senegal oder nach Thailand auswandert. Sondern auch Deutsche, die „nur“ nach Österreich ziehen, werden merken: Die alten Freunde sind zurück geblieben, die Ösis ticken anders, auch wenn wir eine Sprache sprechen. Und das ist nicht verwunderlich, denn die Ursache für diesen Schock ist der schrittweise Zusammenbruch der erlernten Orientierungen und unfraglichen Gewissheiten. „Kulturschock“ ist darum ein blödes Wort. Wer es hört, glaubt, es prallen extreme Gegensätze aufeinander, und es ist eben die andere Kultur. Nein! Die Differenzen können (von außen) als klein erscheinen. Man kann anderen Menschen eben nicht in den Kopf gucken. Selbst wenn andere glauben, es handle sich um Kleinigkeiten: Das Problem ist dennoch, dass die Kontinuität der Persönlichkeit in Frage gestellt wird. Das ist das Entscheidende!

Auswandern und Verliebtsein

Sie werden den Ablauf noch besser verstehen, wenn wir ihn mit den Phasen des Verliebtseins vergleichen. Verliebtsein ist nicht lieben. Die rosarote Brille am Anfang, der Partner (neue Heimat) wird angehimmelt, Hinweise von Dritten überhört. Dann kommt die Ernüchterung: der Partner hat Pickel! Das Traumland ist schweineheiß! Und dann fängt man entweder bei sich an (Was habe ich damit zu tun?) oder sucht den nächsten Traumpartner /Traumland.

Die Phasen des Verliebtseins

Die Phasen des Kulturschocks und die Etappen des Verliebtseins lassen sich parallelisieren. Die Etappen im Überblick:

1. Phase: Die „heiße“, die eigentliche Verliebtheitsphase

In dieser Phase trägt man eine rosarote Brille. Die Partnerin bzw. der Partner erscheint als vollkommen, Schattenseiten hat er/ sie keine.

Die Verliebtheitsphase ist nach drei bis 12 Monaten vorbei – und damit oftmals auch die Partnerschaft. Interessant: Expats kehren häufig nach 3 – 12 Monaten in die Heimat zurück. Der Arbeitgeber muss dann nicht die ganze Familie „umpflanzen“ und spart massig Geld.

2. Phase: Ernüchterung

Das Verliebtheitsgefühl schwindet irgendwann. Man nimmt den Partner genauer unter die Lupe und entdeckt Eigenschaften, die nicht gefallen (die er in Phase 1 garantiert nicht hatte!). Jetzt trennen sich die meisten Paare, bevor es richtig losgeht.

3. Streitphase – der Andere soll so sein wie ich

Beide streiten sich, denn dazu gehören nun mal zwei. Streit geht gegen den Anderen, nicht um eine Sache. Wie die Isolationsphase der Beginn der Rückkehr nach Deutschland sein kann, so die Streitphase der Anfang vom Ende der Beziehung. Aber Isolation kann auch die Anpassungsgeschwindigkeit herunterregeln und damit erleichtern. Gilt das auch für Beziehungen?

Es gibt zwei mögliche Ausgänge: Man trennt sich oder man findet zueinander. Trennung heißt: Das war’s dann. Zueinander zu finden heißt: Tiefere Gemeinsamkeit, neue Identität gewinnen. Das Anders-Sein des Anderen wird als eine Bereicherung erlebt, er oder sie ist die Hilfe zur Überwindung der eigenen Borniertheit.

4. Phase

Jetzt kann man anfangen, den anderen Menschen zu entdecken. Und darüber sich selbst. Das führt zu Fragen wie: Was ist der Mensch? Was ist der Sinn meines Lebens? – Damit würden wir hier den Rahmen sprengen. (Die tabellarische Gegenüberstellung finden Sie im 1. Teil des Artikels).

In welchen Ländern ist der Kulturschock besonders stark für Deutsche?

Die exotischen Länder? Da merkt man es am schnellsten und deutlich. Aber was ist mit Österreich, Schweiz, den Niederlanden? Da ist es ganz genau so.

Lohnt es sich, ein neues Leben in einem neuen Land anzufangen?

„Lohnt es sich denn?“ fragt James Edwards (Will Smith) in dem Film „Men in Black“ seinen Recruiter. Darauf sagt Agent K (Tommy Lee Jones): „Ja! Wenn man ein zäher Hund ist!“ Bei unserem Thema ist es genau so.

Mit der Redewendung „zäher Hund“ wollte der Künstler uns sagen, dass Zielstrebigkeit, Willenskraft, Resilienz und langfristige Planung zum glückenden Leben führen.

Wer in eine neue Kultur eintaucht, benötigt und steigert seine Selbstorganisation, seine Soft Skills und Problemlösungsstrategien. Er verändert Gewohnheiten und wird flexibler. Last but not least: Eine Fremdsprache zu lernen kann helfen, Denkgewohnheiten zu verändern.

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