Interview: Auswandern nach UK/ London als Karrieresprung

Wer nach London ziehen will, kommt um das Thema Arbeit nicht herum. Abgesehen von der Wohnungssuche bezeichnen viele Auswanderer die Jobsuche als die größte Hürde beim Neustart. Ich war erfreut, Martin, einen Ex-Berliner zu finden, der nach seiner Ausbildung den Sprung an die Themse geschafft hat. Wir sprechen über die Reaktionen der Angehörigen, die ersten Schritte in London und wie das Internet ihm viel Lauferei erspart hat. Denn damit man dort jobs findet, braucht man eine Wohnung, eine Adresse.

London Skyline am Abend
Skyline von London

Stelle dich bitte kurz vor.

Hi, ich bin der Martin – 22 Jahre alt und komme ursprünglich aus Berlin.

Warum bist du ausgewandert?

Da ich gerade dieses Jahr meine staatliche Ausbildung (Fachinformatiker) in Deutschland abgeschlossen hatte und ich mich beruflich weiterentwickeln will, habe ich mich zu dem Schritt entschieden.

Warum fiel die Wahl auf Großbritannien?

Die Wahl fiel auf UK, da ich hier schon öfters für einen Urlaub gewesen war, als ich mein Englisch perfektionieren wollte. Und außerdem schauen die Arbeitgeber hier nicht auf Papiere, sondern lediglich auf die Erfahrung. So hat man gerade nach 3 bis 3,5 Jahren Ausbildung in Deutschland einen guten Einstieg hier.

Viele Arbeitgeber sind begeistert, wenn man einen Beruf erlernt hat. Eine Ausbildung wie z.B. in Deutschland gibt es in Großbritannien nicht. Daher kommt man auch gut qualifiziert hier an.

Wer begleitete dich?

Ich bin mit meiner Freundin nach London gezogen. Wir hatten dies schon lange geplannt und da wir beide unsere Ausbildungen gerade abgeschlossen hatten – also keine Arbeitsverpfichtungen mehr in Deutschland hatten – war der Zeitpunkt auch mehr als perfekt.

Wie reagierten Familie und Freunde?

Im ersten Moment natürlich etwas „zurückhaltend“. Aber jetzt haben Sie es vollkommen akzeptiert und unterstützen mich so gut es geht hier auf der Insel. Ausserdem ist der Kontakt noch wesentlich enger geworden mit der Auswanderung.

London Park
London – eine grüne Stadt | Foto: Martin

Wieviel Geld nahmst du mit?

Wer nach London zieht, sollte nicht mit all zu wenig Geld hier ankommen. (Erste Einkäufe etc und das tägliche Leben sind sehr teuer… schließlich ist London eine der teuersten Städte der Welt).

Hattest du gleich London als Wohnort zum Ziel?

Ja, London war mein direktes Ziel. Es ist ein guter Ort, um Karriere zu machen und sich beruflich aber auch persönlich zu entwickeln. Ich denke, dass es gerade für junge Leute eine super Erfahrung darstellt, einmal in so einer Metropole zu leben und zu arbeiten.

Wer half dir bei den ersten Schritten? (Behörden, Wohnung, Telefon, Auto,…)

Da ich hier vor Ort keinen kannte, habe ich mich größtenteils über das Internet vorbereitet. Eine Wohnung hatten wir bereits über eine Agency vorher gefunden und sind so nahtlos eingezogen. Auto sollte man sich gerade in London gut überlegen, da hier alles auf Nahverkehr ausgelegt ist und außerdem der Verkehr sehr stockend ist. Gerade wenn man in Central London arbeitet, würde ich dringend davon abraten, mit dem Auto dahinzufahren.

Wie fandest du die neue Wohnung?

Wenn man den deutschen Standard gewöhnt ist, zunächst etwas veraltet… aber man gewöhnt sich daran. Man sollte beachten, dass man hier auch für eine Wohnung ca 1500 Pound zahlt (je nach Lage und Entfernung zum Zentrum noch mehr). Ansonsten super eingelebt, wobei es natürlich auch paar Wochen braucht, bis man wirklich in so einer Stadt angekommen ist.

Welche Erfahrungen hast du mit den englischen Behörden?

Da man als Deutscher nur zum Jobcentre muss um die National Insurance Number zu beantragen (vergleichbar mit der lebenslangen Steuernummer in Deutschland), hielt sich gerade dieser Part in Grenzen. Die Dame vom Jobcentre war allerdings echt nett und zuvorkommend und nach vier Wochen erhielt ich meine Steuernummer für UK. Der ganze Termin dauert ca eine Stunde, paar Fragen beantworten und nebenher wird der Reisepass auf Fälschung etc. überprüft… das wars auch schon. 🙂

Was waren die größten Probleme der Anfangszeit?

Die größte Umstelung war vorallem finanziell… London ist unglaublich teuer, das sollte keiner unterschätzen. Aber nachdem man die Tricks hier kennengelernt hat und sich darauf einstellt, ist das in Ordnung.

Gab es Besonderheiten für dich als Einwanderer, weil UK nicht zur EU gehört?

UK gehört derzeit noch zur EU, auch wenn sich dies eventuell mal ändern wird. Besonderheiten gabs daher keine… Als EU Bürger kann man einfach hierhin ziehen und bleiben. Von diversen Kontakten, die ich mittlerweile geschlossen habe, habe ich mitbekommen, dass man als nicht EU-Bürger schnell an seine Probleme stößt. Die Visavergabe an nicht EU-Bürger ist wohl sehr streng (ähnlich wie in USA, z.B. nur mit Arbeitsvertrag etc.).

Die Briten sind immer noch in der EU … danke, ich hatte das glatt vergessen. Wie hast du neue Freunde gefunden?

Über Arbeitskollegen und beim Weggehen… man lernt hier schnell Leute kennen (auch wenn dies nicht wirklich tiefgründige Freundschaften sind/werden). Mein derzeitiger Kreis besteht aus Leuten aus Australien, Neuseeland und den USA.

Welche berufliche Perspektive hast du?

Karriere entwickeln, etwas schaffen und dann sehen wir weiter. Wer weiß schon, wo man in 5 Jahre lebt… 🙂

Würdest du heute wieder auswandern?

Auf jeden Fall! Mich reizen gerade die beruflichen Perspektiven im Ausland, die man in Deutschland definitiv nicht hat, sofern man keine Universität besucht hat.

Wie erlebst du das Verhältnis zwischen Deutschen und Briten?

Etwas geteilt. Zum einen sind die Leute hier sehr offen und freundlich – zum anderen ist gerade die Wirtschaft in Deutschland besser und auch die Lebensqualität… Manchmal bemerkt man, wie die Briten zu Deutschland raufschauen. Aber ansonsten super – nette Leute!

Dein Rat für Auswanderer nach UK?

… mit realistischen Vorstellung hierhin zu kommen. Das Land hat nicht ansatzweise den selben Luxus wie Deutschland und gleicht ein wenig den USA (kaum Sozialhilfen für Härtefälle, die staatliche Krankenversicherung NHS ist ebenfalls nicht wirklich zu empfehlen.) Die Lebensqualität ist in Deutschland wesentlich höher und das Leben günstiger. Wer Karriere machen will, ist hier genau richtig, muss sich aber eben mit allen Ecken und Kanten des Landes abfinden…

Martin, danke für das nette Gespräch!

Veröffentlicht am 28.08.2013

Die Serie: Unsere Interviews

Dieses Interview ist eines von vielen, die ich im Lauf der letzten Jahre mit Auswanderern geführt habe. (Zur Übersicht aller Interviews) Was ist die Idee dabei? Mehr Transparenz, ehrliche Darstellungen, persönliche Erfahrungen. Andere können viel erzählen, wie das Leben so ist im Ausland. In Südafrika. In Österreich oder in Panama. Für was gibt es denn heute keine Experten? Das ist auch in Ordnung, denke ich:) Aber das wirklich Wichtige erfahren Sie, lieber Leser, wenn ein Auswanderer von seinem Neustart erzählt. Keine „Story“, keine Quote. Schlicht und einfach: persönliche Erfahrungen.

Kurzüberblick: London

Ende 2015 überstieg erstmals in der Stadtgeschichte die Zahl der vermieteten Wohnungen die des selbstgenutzten Eigentums. Die Entwicklung beschleunigt sich weiter, bis 2025 gehen Hochrechnungen von über 60 % Mietern aus. Der Immobilienmarkt boomt und die Einwohnerzahl von London steigt. Die Immobilienpreise im Königreich haben sich von 2000 bis 2011 verdoppelt, und London ist fast unbezahlbar geworden beim Immobilienkauf: doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Im Premiumbereich werden 55% der Häuser von Ausländern erworben.

In der Hauptstadt von Großbritannien, London, leben 10,3 Mio. Menschen. Wer ein Schönwettergebiet sucht, sollte sich eine andere Metropole aussuchen. Das ist aber auch der einzige Grund, aus dem man Londen meiden sollte. Denn die Themse-Metropole ist bunt, weltoffen, modern.

Dienstleistungen sind die wichtigste Branche der britischen Wirtschaft. Die Fertigung hat an Bedeutung verloren, sie macht noch etwa 10% der Wirtschaftsleistung aus. Und das Herz der UK Wirtschaft ist London. Hier sind alle Banken und Versicherungen Großbritanniens ansässig. Und auch internationale Konzerne haben sich an der Themse angesiedelt.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist der Tourismus. Mehr als 34,3 Millionen Touristen besuchten das Vereinigte Königreich 2015. Und jeder davon macht in London Station (wenn er nicht ausschließlich dieser Stadt wegen herkommt).

Da Großbritannien ein beliebtes Zielland deutscher Auswanderer ist (in harten Zahlen die Nummer Vier nach Schweiz, USA und Österreich), gibt es eine große Community von Auswanderern und Expats. Weiter lesen: Landesüberblick Großbritannien.

Kurzüberblick: Jobs in London

Es gibt einige Webseiten, die bei der Jobsuche behilflich sind: Arbeitsvermittlungsagenturen haben sich oft nach Branchen spezialisiert. 1. Googeln, 2. passende Agenturen kontaktieren.

Indeed ist eine Metasuchmaschine für Jobs. Sie sammelt Jobangebote von verschiedenen Webseiten zusammen, (theoretisch) ist es nicht mehr nötig, woanders zu suchen. Praktisch – tun es dennoch viele, zumindest testweise. Mehrere Suchbegriffe werden mit AND verknüpft – dann kommen nur Treffer, die alle Suchbegriffe enthalten. Mit dem kombinierten Suchbegriff „german“ werden Jobs gefunden, die deutschsprachige Bewerber suchen.

In diversen Expat Communities (z.B. Deutsche in London, Just landed, Hallo Expat) helfen dir die Deutschen vor Ort.

Kurzüberblick: Zeitarbeit

Wer nicht vom deutschen Arbeitgeber entsendet wird, sondern sich selbst auf dem englischen Arbeitsmarkt umschaut, dem wird das breite Angebot an Zeitarbeit weiterhelfen.

Zeitarbeit boomt in Großbritannien. Sie wollen auswandern und haben noch keinen Job? Dann ist das vielleicht die Lösung (für den Start – oder häufig für länger). Als ‚Temp‘ oder Freelancer sind Sie flexibel und arbeiten, wo Sie wollen.

In keinem anderen Land der Welt ist Zeitarbeit so populär wie in Großbritannien. Anders in Deutschland: Lediglich 1,2 Prozent der deutschen Erwerbstätigen sind als Zeitarbeiter beschäftigt. Dagegen arbeiten 5 Prozent der Briten als „Temps“. Das ist kein Notbehelf oder taktisches Krisenmanagement, sondern eine Alternative zu festen Jobs. Und die meisten Zeitarbeiter gibt es in London.

Jeder deutsche Arbeits-Vermittler predigt: Der Arbeitsmarkt fordert mobile und flexible Menschen. Kaum ein deutscher Arbeitnehmer, der es ihm wirklich abnimmt. Anders in London und U.K.: Dort sind die Jobbörsen sind voller Angebote. „Persönliche Assistentin gesucht – 14 Pfund pro Stunde“ … „Sehr gute Chancen für Temps in der Medienbranche“. … „Suchen IT Fachkraft für Installation eines Firmennetzwerkes in Wales“ Weiter lesen: Zeitarbeit in U.K.

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