Leben in Irland – ein deutscher IT-Spezialist in Dublin

Dirk Huck ist studierter Nachrichtentechniker. Seit Anfang 2007 lebt er in Dublin und arbeitet dort als technischer Systemberater für ein irisches IT-Unternehmen im Raum Dublin. Wir unterhielten uns darüber, womit der Keltische Tiger ihn lockte und über sein Leben heute.

Übrigens ist dies eine Premiere für unsere Rubrik „Erfahrungsberichte von Auswanderern“: das erste Interview mit einem Auswanderer in Westeuropa.

Stelle dich bitte kurz vor.

Ich bin Jahrgang 1968, studierter Nachrichtentechniker und seit mehr als zehn Jahren in der IT-Branche tätig, anfangs als Programmierer, später als Systemberater. Seit April 2007 lebe ich in Irland und arbeite für ein irisches IT-Unternehmen im Raum Dublin. Meine derzeitigen Hobbys sind Irland, Musik (Gitarre), Lesen und Tauchen.

Dublin Uferpromenade
Das alte und das neue Dublin an der Uferpromenade der Liffey, die Dublin in Nord und Süd unterteilt.
Apartementwohnungen
Typischer Neubau-Apartmentkomplex, Folge des Bau-Booms. Auf der Höhe des Bau-Booms kosteten einfache 3-Zimmer-Apartments bis zu 400.000 Euro – heute stehen die meisten Wohnungen leer.

Wann und warum bist du ausgewandert, was gab den Ausschlag?

Hintergrund war der Wunsch, mein berufliches und privates Umfeld zu ändern. Dies hätten natürlich auch ein Arbeitsplatzwechsel und Umzug innerhalb Deutschlands erwirkt. Aber wenn ich schon bereit war, so sagte ich mir, innerhalb Deutschlands umzuziehen, warum dann nicht gleich einen großen Sprung machen?

Der Wunsch, auszuwandern, schlummerte wohl schon länger in mir. Insbesondere die Aussicht auf eine Tätigkeit im englischsprachigen Ausland, was sich in meinem Lebenslauf sicherlich gut machen würde, motivierte mich, bei meinen Überlegungen konkreter zu werden. Ich stellte Nachforschungen auf dem irischen Arbeitsmarkt an und sprach mit Freunden und Bekannten. Anfang 2007 folgten Taten: Ich kündigte meinen alten Job und löste meinen gesamten Hausrat auf (so ein Neuanfang hat auch sein Gutes). Im April 2007 flog ich mit einem One-Way-Ticket nach Irland, ein großer Koffer und ein Rucksack waren mein einziges Gepäck.

Mit 40 hatte ich ein Alter erreicht, in dem man sich Gedanken um die Zukunft macht. Ich hatte lange genug in Deutschland gelebt und gearbeitet und wollte mein Leben gerne anders gestalten. Noch war Zeit für eine Veränderung, zehn Jahre später hätte dies sicherlich anders ausgesehen. So beschloss ich mich zu einem mutigen Schritt und ließ mein bisheriges Leben zurück, um ein neues zu beginnen.

Dublin, Finanzzentrum und Altes Zollgebäude
Das alte Zollgebäude und das Finanzzentrum
Dublin, Grafton Street
Die stets geschäftige Einkaufs- und Fußgängerzone Grafton Street, Zentrum des Konsumrausches der Iren

Warum gerade Irland?

Bei der Auswahl des Ziellandes stand bei mir die Sprache im Vordergrund. Bei mir ist es Englisch. Zudem wollte ich nicht unbedingt ein Visum beantragen müssen. Zum Glück gibt einem die EU die Freiheit, innerhalb Europas in einem Land der Wahl zu leben und zu arbeiten. Zur Auswahl standen daher England und Irland. Mir persönlich gefällt das kleine und überschaubare Irland wesentlich besser. Die Aussicht, im Moloch London leben zu müssen, sagte mir überhaupt nicht zu. Hinzu kam, das damals besonders in Irland eine große Nachfrage nach IT-Spezialisten bestand, was die Suche nach einem Arbeitsplatz vereinfachte. So fiel die Wahl auf Irland.

Hinzu kommen sicherlich noch die persönlichen Vorlieben und Assoziationen, die man mit dem neuen Heimatland verbindet. Ich kannte Irland von Urlaubsreisen und war schon immer vom Land und seiner Kultur begeistert, mehr als zum Beispiel von England. Schließlich möchte man in ein Land ziehen, in dem man sich auch wohlfühlt.

Mein Interesse an Irland rührt aus den 1980ern. Bei der Beschäftigung mit Themen wie z. B. der Megalith-Kultur oder den Kelten, stolperte ich immer wieder über Irland. Ende der 1980er fiel mir das Buch „Keltische Sagen aus Irland“ von Martin Löpelmann in die Hände, das mir zeigte: Da ist ein kleines Land, das ein Kulturgut aufzuweisen hat, das so ganz anders ist als das der Länder Europas, die einst unter römischem Einfluss standen. Auf der anderen Seite gab es die schlimmen Nachrichten aus Nordirland, die auch in der Schule im Englischunterricht besprochen wurden. Wer fragt sich da nicht, was es mit Irland wirklich auf sich hat? Mein erster Besuch in Irland erfolgte 1998. Seitdem hat mich die grüne Insel immer wieder beschäftigt.

Wer begleitete dich?

Niemand. Ich war privat unabhängig, was sicherlich die Überlegung, auszuwandern, erst aufkommen ließ. Ich konnte frei entscheiden. Für jemanden mit Familie und schulpflichtigen Kindern muss eine Auswanderung sicherlich gründlicher geplant, müssen die Vor- und Nachteile genauer abgewogen werden.

Wie war die Reaktion der Familie und der Freunde und Bekannten?

Es gab durchweg nur positive Reaktionen. Familie und Freunde bewunderten meinen Mut, in einem fremden Land neu anzufangen und ermutigten mich. Einige beneideten mich gar, sie würden gerne einen ähnlichen Schritt machen.

Rückblickend muss ich sagen, dass der Wechsel nach Irland leichter war, als er zu Anfang erschien. Der Kulturwechsel war nicht gerade so dramatisch, wie ihn ein Wechsel zum Beispiel nach China mit sich bringt. Irland ist nicht Deutschland, vieles ist hier anders. Aber als ebenfalls westliches Land sind die Unterschiede nicht allzu groß, so dass für einen Mitteleuropäer die Anpassung nicht so schwer fällt.

Wie sieht ein typischer Tag in Irland für dich aus?

Ich gehe einem ganz gewöhnlichen Bürojob nach, der sich nicht wesentlich von dem in Deutschland unterscheidet. Der typische Tag beginnt daher auch hier mit der Fahrt zur Arbeit. Dies stellt sich vor allem in Dublin täglich als große Herausforderung dar. Der öffentliche Nahverkehr ist schlecht, die Straßen stehen vor dem Verkehrskollaps. Staus sind die Regel, was auch die kürzeste Strecke zu einer langen Reise werden lässt, sei es mit Bus oder Auto.

Die Bürozeiten selbst sind vergleichbar mit denen in Deutschland. Nach der Arbeit setzt sich der Kampf mit Staus und verspäteten Bussen oder Zügen fort. Oft bleibt am Abend nur wenig Zeit zur Erholung oder für private Dinge.

Eröffnete dein Beruf dir besondere Chancen?

In gewisser Hinsicht schon. Die große Nachfrage nach IT-Spezialisten machte es einfach. Allerdings muss man wissen, dass in Irland die Kündigungsfrist üblicherweise nur 4 Wochen beträgt. Der Arbeitsmarkt ist wesentlich flexibler. Die 3 Monate Kündigungsfrist aus Deutschland kommen bei einem Wechsel nach Irland ungelegen. Dies bedeutete, dass ich zuerst meinen alten Job in Deutschland kündigen musste, und mich dann erst nach einem neuen in Irland umsehen konnte. Da beruhigt es, wenn zumindest eine gewisse Nachfrage besteht.

Wärst du auch nach Irland gegangen ohne IT Kenntnisse?

Schwer zu sagen. Irland ist auch Lieblingsland vieler Freischaffender, die vielleicht nicht so sehr an den irischen Markt gebunden sind. Auch gibt es viele Aussteiger, die in Irland ihren Traum vom Selbstversorger mit einem Haus im Grünen erfüllen. Ein solcher Schritt lässt sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen. Kurz, es sollte also schon eine gewisse wirtschaftliche Perspektive gegeben sein, damit die Auswanderung nicht zum finanziellen Fiasko wird. Da bin ich realistisch genug. Derzeit bin ich zwar im IT-Bereich tätig, doch wer weiß, welche anderen beruflichen Alternativen sich für mich in Irland noch ergeben.

Leerstand im Gewerbepark
Vollständig möbliertes, zur Vermietung stehendes Bürogebäude in einem Industriepark – nur ein Beispiel von vielen. Folge der Rezession.
Reihenhäuser aus den 50er Jahren
Typische 50er-Jahre Reihenhäuser; damals am Stadtrand erbaut, um die Menschen aus dem Stadtzentrum zu schaffen, inzwischen vom ausufernden Dublin längst wieder einverleibt.
Busverkehr in Dublin
Straßenverkehr in Dublin mit den typischen Doppeldecker-Bussen. Spitzname der Busse: Bananen-Busse, weil sie gelb sind und meist im Bündel unterwegs sind.

Auf dem Gipfel des wirtschaftlichen Booms fand sich für jeden irgendeine Tätigkeit, ob mit oder ohne Qualifikation, ob mit oder ohne Englischkenntnisse. Dies erklärt auch den großen Anteil ausländischer Immigranten aus ärmeren Ländern. In der aktuellen wirtschaftlichen Krise ist die Jobsuche wesentlich schwieriger. Es wird wieder verstärkt auf die Qualifikationen geschaut, insbesondere auf die Berufserfahrung.

Irland eröffnete aber auch vielen neue Berufsperspektiven. Wo es mit dem Englischen haperte, konnte man zumindest von der Muttersprache Gebrauch machen – viele Unternehmen betreiben ihre Call Center für Europa von Dublin aus. Die Tätigkeit in einem Call Center ist zwar nicht jedermanns Sache. Aber ich kenne einige, die nach Irland gingen, weil sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine Perspektiven hatten.

Hattest du einen bestimmten Wohnort als Ziel? Woher kanntest du diesen?

Oft hört man Aussagen wie: „Galway (an der Westküste Irlands) ist schön, da möchte ich gerne leben.“ Mag sein. Doch man muss auch realistisch bleiben: Leben wovon? Wer nicht gerade Freischaffender ist, muss bei der Frage nach dem Wohnort nicht lange überlegen. Es gibt nur ein wirkliches wirtschaftliches Zentrum in Irland, und das ist die Hauptstadt Dublin. Die meisten Arbeitssuchenden verschlägt es daher nach Dublin, das gilt für Immigranten und Einheimische gleichermaßen. Besonders in meinem Tätigkeitsbereich, der IT, gibt es eigentlich recht wenig Auswahl. Alles konzentriert sich auf Dublin. Man wohnt dort, wo es Arbeit gibt.

Aber Dublin ist nicht unbedingt der Wunschwohnort. Auf meinen bisherigen Reisen innerhalb Irlands habe ich natürlich auch den einen oder anderen netten Ort kennengelernt, von dem ich mir gut vorstellen kann, dort zu leben – gäbe es dort auch Arbeit. Der Westen Irlands ist zwar landschaftlich einmalig schön, doch sind dort die wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich schwieriger. Nicht ohne Grund ist die Arbeitslosigkeit im Westen deutlich höher als im Osten. Zahlreiche verlassene Häuser zeugen davon, dass viele Menschen im Westen keine wirtschaftlichen Perspektiven sahen.

Wer half dir bei den ersten Schritten? z.B. bei Behörden, vorläufige Wohnung, Telefon, Auto,…

Der bei der Einreise zu erledigende Papierkram hält sich erfreulicherweise sehr in Grenzen. Es gibt z. B. kein Einwohnermeldeamt. Alles was man braucht, um hier (legal) arbeiten zu können, ist eine Sozialversicherungsnummer, deren Beantragung recht problemlos ist. Manche Unternehmen helfen Immigranten bei der Einreise. Zum Beispiel stellen sie für die ersten Tage eine Wohnung oder zahlen gar die Unterbringung im Hotel. Auch in meinem Fall durfte ich einige Wochen in der Firmenwohnung meines Arbeitgebers mietfrei wohnen, bis ich eine eigene Wohnung gefunden hatte. Die Anmeldung von Telefon, Strom/Gas etc. ist ebenfalls relativ problemlos. Ebenfalls problemlos ist der Kauf einer SIM-Karte für das Mobiltelefon. Damit ist man dann sofort unter einer irischen Rufnummer erreichbar.

Schwieriger ist die Eröffnung eines Bankkontos. Die Banken verlangen einen Wohnnachweis. Da es aber kein Meldeamt gibt, hat man auch keinen Personalausweis. Dies macht es schwierig zu belegen, dass man auch tatsächlich in Irland wohnt und arbeitet. Die Banken erkennen aber offizielle Rechnungen (Strom, Gas, Telefon etc.), auf denen der eigene Name nebst Adresse auftaucht, als „Wohnnachweis“ an. Somit kommt in Irland dem Finden einer Unterkunft eine besondere Bedeutung zu.

Wie kamst du zur neuen Wohnung, bzw. zum Hauskauf?

Ich wohne derzeit in einem Haus zur Miete. Der Wohnungsmarkt, sei es Mieten oder Kaufen, wird weitgehend über die Webseite www.daft.ie abgewickelt. Dort gibt es zahlreiche Inserate rund um Wohnungen und Häuser. Die Suche nach einer Wohnung muss allerdings vor Ort erfolgen. Die Vergabe geht nach dem Motto, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Gute Wohnungen sind meist innerhalb weniger Tage vermittelt. Außerdem empfiehlt sich immer erst eine Inaugenscheinnahme und das Kennenlernen des künftigen Vermieters.

Auf dem Gipfel des Bau-Booms waren Wohnungen sehr teuer. 1.600 Euro Miete (plus Nebenkosten) für eine Drei-Zimmer-Wohnung waren keine Seltenheit. Zumindest sind die Wohnungen vollständig möbliert, man muss bei einem Wechsel also nicht seinen eigenen Hausrat mitbringen. Aufgrund der hohen Mietpreise sind Wohngemeinschaften auch unter Berufstätigen die Regel, auf jeden Fall aber wenn man alleinstehend ist. Bei Paaren sollten beide Partner ein Einkommen haben, was aber wiederum zum Beispiel die Betreuung der Kinder schwierig macht. Das (abrupte) Ende des Bau-Booms sorgte für ein Überangebot an Wohnungen. Die Mieten fielen zwar, sind aber immer noch deutlich höher als in Deutschland (obige Drei-Zimmer-Wohnung z. B. liegt derzeit bei 1.100 Euro). Auch die Häuserpreise befinden sich derzeit im Sinkflug. Gute Gelegenheit für Käufer, wenn man das Geld hat.

Welche Erfahrungen hast du mit den irischen Behörden gemacht?

Ich selbst hatte bislang nur wenige Behörden-Anliegen. Meine Erfahrung beim Beantragen einer irischen Sozialversicherungsnummer (hier PPS-Nummer genannt) war positiv: Der ganze Vorgang dauerte nur 5 Minuten, Wartezeit nicht eingerechnet. Eine Woche später hatte ich meine PPS-Nummer im Briefkasten. Damit war ich irischer Steuerzahler. Andere Anliegen, zum Beispiel das Beantragen einer Steuer-Plakette fürs Auto, verliefen ebenfalls ohne größere Probleme. Viele Anliegen kann man auch online abwickeln, so dass der zeitraubende Gang zur Behörde entfällt.

Wo und wann warst du das letzte mal im Urlaub?

In Irland hat man gewöhnlich nur 20 Urlaubstage im Jahr. Den größten Teil dieser Tage nutze ich für Reisen innerhalb Irlands. Dort habe ich auch meinen letzten Urlaub verbracht. Noch immer hält Irland für mich vieles bereit, das erkundet und entdeckt werden möchte. Vieles kann man gut an einem (verlängerten) Wochenende abdecken, da Irland so schön klein und kompakt ist. Ich arbeite dort, wo andere Urlaub machen. Für mich sind die schönen Stellen Irlands oft nur einen Katzensprung entfernt. Das sorgt für gute Erholung nach anstrengender Arbeit.

Wie hast du Bekannte und Freunde kennengelernt?

Dublin weist eine überwiegend junge Bevölkerung auf, mit der man sehr schnell und leicht in Kontakt kommt. Ein immer noch wichtiger (und oft leider auch der einzige) Dreh- und Angelpunkt zur Pflege sozialer Kontakte sind die Pubs. Wen die Atmosphäre in den Pubs nicht stört, kommt recht schnell mit Einheimischen (und anderen Immigranten) in Kontakt. Iren sind generell freundlich und aufgeschlossen, doch ist die Freundlichkeit meist nur oberflächlich. Es dauert, bis sich engere Freundschaften entwickeln.

Wie eng sind deine Kontakte zu anderen Auswanderern?

Nach meinen Erfahrungen ist es einfacher, mit anderen Immigranten in Kontakt zu kommen, als mit Iren. Vielleicht liegt es daran, dass Immigranten im gleichen Boot sitzen und sich eher zu Gemeinschaften zusammenschließen. Iren bleiben lieber unter sich, was etwas schade ist. Es scheint auch, dass Iren nur ungern engeren Kontakt zu Immigranten pflegen, da diese ja womöglich recht bald schon wieder abreisen. Es braucht etwas Zeit, sich bei Iren als „ernsthafter“ Immigrant zu etablieren.

Wann warst du das letzte mal in Deutschland? Und wie war das, wieder in der alten Heimat zu sein?

Ich bin recht häufig auf Besuch in Deutschland. Im Schnitt etwa alle 6 Monate, zumindest aber über Weihnachten. Zum einen natürlich, um Familie und Freunde zu besuchen. Zum anderen auch, um zum Beispiel eine Zahnbehandlung durchführen zu lassen. Das irische Gesundheitssystem ist im Vergleich zum deutschen etwas rückständig, was sich vor allem bei der Qualität der Betreuung zeigt. Viele Immigranten vertrauen bei medizinischen Fragen lieber den Ärzten ihres Heimatlandes.

Veränderungen im alten Heimatland nimmt man natürlich wahr. Mehr Interesse schenkt man jedoch seinem neuen Heimatland. Nach einem Besuch in Deutschland bin ich meist froh, wenn ich wieder in mein neues Heimatland zurückkehre.

Welche 3 Tipps gibst du einem Deutschen, der auch nach Irland auswandern will?

Zunächst einmal müssen natürlich die wirtschaftlichen Grundlagen gegeben sein. Wie die beruflichen Perspektiven sind, muss jeder für sich selbst herausfinden. Es empfiehlt sich eine gründliche Recherche auf dem irischen Arbeitsmarkt. In vielen Bereichen (IT, Finanzwesen, Handwerk) genießen Deutsche einen guten Ruf, die Chancen dürften also nicht so schlecht stehen. Es muss einem aber auch klar sein, dass Irland nur ein kleines Land ist (ca. 4 Mio. Einwohner), dessen Wirtschaft stark von anderen Ländern abhängt. Irlands Wirtschaft unterliegt deshalb viel stärkeren Schwankungen, als zum Beispiel die des Industrieriesen Deutschland. Auf der anderen Seite aber bringen genau diese häufigen Veränderungen auch mehr Chancen. Man muss also flexibel sein.

Die deutlichste Umstellung betrifft das sprachliche Umfeld am Arbeitsplatz. Alles ist auf Englisch: Computer, Dokumente, Emails, Telefonate, Meetings etc. Dies dürfte für viele Einwanderer anfangs die größte Hürde sein. Es wird keine Rücksicht genommen, und man kann auch nicht zur Not zurück ins Deutsche verfallen. Wer am Arbeitsplatz in Diskussionen mithalten will oder gar Präsentationen geben muss, muss fließend Englisch sprechen und das gängige Fachvokabular beherrschen. Mit dem Schulenglisch kommt man da nicht sehr weit. Dies sollte einem bewusst sein und man sollte sich darauf vorbereiten (wer kann ruhigen Gewissens sagen, in einem Bewerbungsgespräch auf Englisch zu bestehen?). Ich selbst hatte zum Beispiel zwei Jahre lang einen Privatlehrer. Anfangs war dies nur als Pflege einer beruflichen Qualifikation gedacht. Im Nachhinein erwies es sich als hilfreiches Sprungbrett auf meinem Weg nach Irland.

Zuletzt der deutliche Hinweis, dass Irland eben nicht Deutschland ist. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Irland ca. 150 Jahre Industriegeschichte aufgeholt. Dass dies nicht ohne Reibung und mit einiger Improvisation abging, liegt auf der Hand. Vieles hat einfach nicht den Standard, den man von Deutschland her gewohnt ist. Wer nach Irland geht, muss sich vom deutschen Anspruch auf Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit, öffentlichen Nahverkehr, Autobahnen etc. verabschieden. So manche Immigranten verzweifeln an der Mentalität der Iren und werfen nach ein paar Monaten das Handtuch. Mit dem Spruch „Bei uns in Deutschland…“ kommt man hier nicht weit, sondern fördert nur den eigenen Frust. Wer hingegen einen guten Humor besitzt, und lernt, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind und sich auf die irische Lebensweise einlässt, kann hier sein Paradies finden. Hier gilt es, das Beste aus dem zu machen, was man hat.

Würdest du heute wieder auswandern?

Absolut ja. Ich habe bereits als Kind eine Zeitlang im Ausland gelebt und bin deshalb vielleicht nicht so sehr in Deutschland verwurzelt wie andere. Auswandern ist immer eine spannende Sache, die den Horizont erweitert und der persönlichen Entwicklung gut tut. Auch Irland würde ich jederzeit wieder als Zielland ins Auge fassen.

Dirk, herzlichen Dank für das Gespräch!

Copyright der Bilder: © Dirk Huck

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