Wenn Auswandern, dann richtig: NZ, PY, DomRep (und zurück)

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Sigrid Steiner, gebürtige Österreicherin, zählt sicherlich zu den produktivsten Autoren, die im deutschen Sprachraum über Auswandern und das Leben in anderen Ländern schreiben. Kurz vor dem Endspurt für ihr neues Buch fand sie noch Zeit für das folgende Gespräch. In ihm bereisen wir mit ihr drei Kontinente. 

Sie sind vor 15 Jahren nach Paraguay gegangen. Was brachte sie dazu?

Es ist nicht richtig, dass ich direkt nach PY ausgewandert bin. Mein eigentliches Ziel war Neuseeland. Die Idee, Österreich zu verlassen, wurde nach einem Urlaub (Weihnachten 1992) bei Freunden in Neuseeland geboren. Meinem Mann und mir gefiel das Land so gut, dass wir uns vorstellen konnten dort „alt“ zu werden, zumal wir den ganzen Bürokratismus in Österreich ziemlich satt hatten.

Zu jenem Zeitpunkt bekamen wir auch gerade eine Mitteilung unserer Stadtgemeinde, dass dort wo unser Haus stand, in naher Zukunft eine Straßenverbreiterung geplant war und unser Heim deshalb weichen musste. Neuorientierung stand also ohnehin an.
Anfang Februar 1993 nahmen wir das Geld, das wir als Ablöse bekamen, verschifften unser Hab und Gut und machten uns mit unseren beiden Kindern ( 2,5 und 4 Jahre) auf den Weg nach Neuseeland. Gemeinsam mit unseren Freunden eröffneten wir eine Schmiedeeisenwerkstätte und fertigten Zäune, Briefkästen, Kerzenleuchter und alles wonach Nachfrage bestand.

Das Geschäft lief gut an und in der Freizeit erkundeten wir die Schönheiten des Landes. Wir kauften uns ein Boot, fuhren häufig zum Fischen und genossen unser neues Leben. Bis dann der „Neuseeländische Sommer“ mit Anfang April zu Ende ging und die klimatischen Verhältnisse ab diesem Zeitpunkt speziell für mich immer unerträglicher wurden. Es gibt zwar in Neuseeland keinen Winter wie man ihn von unseren Breiten kennt und die Temperaturen bleiben im Plusbereich, trotzdem regnete es gerade in Hamilton, dort wo wir uns angesiedelt hatten, extrem viel. (statistisch 300 Regentage im Jahr) Ständiger Nebel und alles grau in grau.

Zu allem Übel stand unser Haus auch noch direkt an einem See, sodass die Feuchtigkeit überall war. Jedenfalls waren ich und die Kinder ständig krank und allmählich schlug mir das trostlose Wetter auch aufs Gemüt.

Nach 8 Monaten strebten wir alle nur noch der Sonne entgegen, Hauptsache Wärme, alles andere würde sich finden. Wir verkauften alles und wieder war es ein freundschaftlicher Kontakt der uns schließlich nach Paraguay führte. Und dort war es dann wirklich sehr warm!

Wie reagierten Bekannte und Familie auf diesen Schritt?

Nun ja, die Meinungen und Reaktionen waren gemischt. Unsere Freunde brauchten einige Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass wir ans andere Ende der Welt gehen wollten. Und die Familie zeigte gar kein Verständnis für unsere Absicht einfach so auszusteigen. Das konnte man doch nicht tun, schließlich hatte man in dem Land in dem man geboren war auch wieder zu sterben.

Es war nicht einfach, änderte aber nichts an unserem Entschluss. Speziell für mich war es schwer, denn meine Mutter wollte sich nicht von mir verabschieden und so gab es 2 Jahre keinen Kontakt zu ihr, ehe ich mich dann eines Tages aus Paraguay telefonisch bei ihr gemeldet habe.

Was würden Sie heute jemandem raten, der vor dem Problem steht: Er oder sie will auswandern, und die eigene Familie sagt kategorisch nein. Nicht jeder hält diese Anspannung aus…

Ich würde sagen lebt euer Leben und nicht euren Traum – ihr würdet es eines Tages bereuen aus Rücksicht auf „andere“ verzichtet zu haben! Das mit der Familie pendelt sich eines Tages schon wieder ein – spätestens nach dem ersten Besuch!

War PY damals schon eine Insider-Empfehlung für deutschsprachige Auswanderer oder kam die Wende erst später?

In unserem Fall war es keine direkte Insider-Empfehlung, sondern wir erinnerten uns einfach daran, dass ein Freund aus unserem Heimatort vor Jahren nach PY ausgewandert war. Der Kontakt war im Laufe der Jahre zwar abgerissen, dennoch gelang es uns, ihn ausfindig zu machen. Was er uns über seine neue Heimat erzählte, klang nicht schlecht und so dachten wir einfach – schauen wir mal.

Das war im Oktober 1993 und geblieben sind wir bis 1995. In dieser Zeit sahen wir viele Europäer kommen, wenige sich etablieren und einige, die es gerade noch schafften, sich ein Flugticket nach Hause zu finanzieren.

Der Trend, nach PY auszuwandern, war schon damals stark spürbar. Aber besonders heute rangiert PY aufgrund seiner Liberalität in der Liste der Auswanderungsländer sehr weit vorne. Die (noch) sehr einfachen Einwanderungsbestimmungen ziehen allerdings sehr gemischtes Publikum an. Vom seriösen Geschäftsmann über den international gesuchten Kapitalverbrecher bis hin zum Kleinkriminellen ist in PY einfach alles vertreten.

1995 waren Sie Radio-Nachrichtensprecherin in der Dominikanischen Republik. Wie haben Sie so gut Spanisch gelernt?

Als ich 1993 nach PY kam, sprach ich kein Wort Spanisch und merkte schnell, dass ich in diesem Land mit Englisch nicht weiter kam. Also hieß es sich hinsetzen und täglich 4 Stunden über meinen Spanischbüchern zu brüten. Für mich war es sehr wichtig, so schnell wie möglich die Landessprache zu erlernen, um mich in dem Land, in dem ich lebte, auch entsprechend verständigen zu können.

Nach etwa einem halben Jahr war ich so weit, dass ich mich zwar noch nicht so richtig reden getraute, dafür aber nahezu alles verstand. Bis zu jenem Tag, als unser Aushilfskellner krank wurde und ich einspringen musste. Nun war ich natürlich auch gefordert zu reden. Und von da an wurde ich dann immer mutiger und nahm es einfach in Kauf, nicht immer alles perfekt sagen zu können. Dazu fällt mir gerade eine lustige Begebenheit ein.

Als wir uns entschlossen, PY wieder zu verlassen, um in die Dom. Rep. weiter zu ziehen, mussten wir vorher noch unser Pferd verkaufen. Also nutzte ich die Gelegenheit dazu in unserem Restaurant und platzierte auf jedem Tisch ein Kärtchen mit der Aufschrift: „Se vende un caballo de ocho anos….“ was heißen sollte. „Verkaufe ein achtjähriges Pferd…“. Nun ja, die Tür ging auf und die ersten Gäste kamen zum Mittagessen. Plötzlich kriegte eine ältere Dame einen regelrechten Lachanfall und wedelte dabei mit dem von mir geschriebenen Kärtchen in der Luft herum. Völlig ratlos, was denn daran so komisch sei, wenn man sein Pferd verkaufen wollte, stand ich da und bat etwas verlegen um Auskunft. Die Dame konnte nicht aufhören zu lachen und so erbarmte sich ihr Begleiter und setzte mich ins Bild. Es sei ein Phänomen was ich da zum Verkauf anbiete…. Nun ja, wörtlich übersetzt bedeutet „ocho anos“ ohne dem entsprechenden Haken über dem „n“ nicht acht Jahre, sondern es sagte aus, das dieses Tier über 8 Ani [Plural von Anus; Anm. KG] verfügte und ja, das wäre wirklich ein Phänomen gewesen. Seit diesem Vorfall nahm ich es dann genauer mit den sogenannten „haches“.

Ich stelle mir vor, dass eine Frau – noch dazu Ausländerin – in Lateinamerika mit einigen Vorbehalten konfrontiert wird. Was war für Sie wichtig, um sich zu behaupten?

Da muss ich jetzt widersprechen. Ich hatte keinerlei Probleme in dieser Hinsicht. Ganz im Gegenteil. Nachdem es mir relativ rasch gelang, die Sprache zu erlernen, fand ich auch schnell Zugang zu den Einheimischen. Und die haben sich mir gegenüber immer korrekt verhalten. Ich kann mich nicht erinnern mich einmal aufgrund dessen, dass ich Europäerin war, „behaupten“ zu müssen, zumindest nicht vor den Einheimischen. Österreicher werden von den Paraguayern sehr geschätzt.

Außerdem schafft nahezu jeder europäische Einwanderer Arbeitsplätze, weil jeder Hauspersonal anstellt und in der Regel arbeiten die Paraguayer sehr gerne für uns. Ich hatte vielleicht auch deshalb nie Probleme weil ich den Leuten immer mit Respekt und Freundlichkeit begegnet bin und sie nie von oben herab behandelt habe, wie es viele Europäer mit paraguayischem Personal handhaben.

Die soziale Situation in der DomRep wirkt von außen uneinheitlich: rund 30% Arbeitslose, über 10% leben in Armut, jedoch „wenig manifestes Elend“ (Wikipedia). Wie haben sie die Lebensverhältnisse der Dominikaner erlebt?

Es gibt keine Mittelschicht! Arm und reich leben sehr dicht beieinander. Außerdem leben die Menschen mehr in Sippen zusammen und setzen möglichst viele Kinder in die Welt – ihre spätere Altersvorsorge.

Geht man einmal von der Hauptstadt weg, mehr in den Norden, also in ländlichere Gebiete, so findet man keine Wohnblöcke mehr, sondern vorwiegend selbstgebaute Hütten aus den unterschiedlichsten Materialien (Wellblech, Holz ect.) und da leben dann mehrere Generationen auf engstem Raum unter einem Dach. Nur so ist die arme Bevölkerung unter ziemlichen Entbehrungen einigermaßen lebensfähig. Aber die Menschen sehen es gelassen und kehren jeden Tag fröhlich singend und pfeifend ihren Erdboden im Wohnzimmer.

Überhaupt habe ich die Dominikaner als ein sehr lebenslustiges und trotz ihrer Armut auch als sehr fröhliches Volk erlebt. Nichts kann einem Dominikaner so wichtig sein, als dass es unbedingt noch heute erledigt werden müsste. Gemütliches Zusammensitzen im Kreis der Lieben hat einen viel höheren Stellenwert. Eine wirklich große Herausforderung für uns Europäer, da wir ja praktisch von Kindesbeinen an gewohnt sind unser Leben nach der Uhr auszurichten. Aber in jedem Fall, Armut hin oder her, ich bin überzeugt, dass die Dominikaner trotz allem mehr Lebensqualität haben als so manch gut situierter Europäer.

Wie hat sich die Situation für Einwanderer in diesen Ländern seither verändert?

Es hat sich nicht wirklich viel geändert, weder in PY noch in der DomRep. Kriminalität und Korruption sind nach wie vor ungebrochen. Der seit 2008 neu amtierende paraguayische Präsident verspricht zwar dagegen anzukämpfen, aber ich denke, dass es auch in den nächsten Jahren keine wesentlichen Verbesserungen geben wird. Auch redet man davon die Einwanderungsbestimmungen zu verschärfen. Über ein Auslieferungsabkommen wird ebenfalls nachgedacht. Gute Vorsätze deren Realisierung aber angesichts der Umstände nahezu unmöglich erscheint. Diese beiden Länder werden auch weiterhin als Zufluchtsort für Kriminelle dienen und besonders dann, wenn diese Leute im Land investieren, werden sie auch stets willkommen sein.

Was hat Sie zur Rückkehr nach Österreich bewegt?

Dafür war ein schwerer Autounfall in der DomRep. verantwortlich. Die medizinische Versorgung ist nicht besonders gut und so musste ich nach Florida ausweichen. Aufgrund meiner Verletzungen ertrug ich die Hitze nicht mehr so gut und hatte auch mit dem Tageslicht Probleme, musste mich also ständig nur in klimatisierten und eher abgedunkelten Räumen aufhalten. In Florida bekam ich dann eine entsprechende Behandlung und erholte mich innerhalb von 8 Monaten wieder einigermaßen.
Nachdem wir nicht wussten wie es mit mir gesundheitlich weiter ging, brachen wir natürlich in der DomRep. unsere Zelte ab, verkauften wieder einmal alles und ließen uns in Florida nieder. Nachdem es aber nicht so einfach ist, dort die Green Card zu erhalten, beschlossen wir wieder nach Österreich zurück zu kehren.

Und ja, es war anfangs wirklich schwierig uns wieder einzugewöhnen. Ich glaube so ganz ist das mir persönlich noch immer nicht gelungen. Ein Rest Fernweh ist geblieben. Vermutlich auch weil ich mich ständig damit befasse, indem ich Ratgeber schreibe etc., bin ich wohl auch noch sehr verbunden mit Südamerika.

Ihre Kinder haben im Grundschulalter bereits mehr von der Welt gesehen als die meisten Erwachsenen. Was raten Sie Eltern, die zögern auszuwandern, weil sie ihren Kindern ein stabiles Umfeld (Schule, Freunde) bieten wollen?

Meine Kinder waren zum Zeitpunkt unserer Auswanderung noch nicht schulpflichtig. Meine Tochter Kerstin wurde zwar in Neuseeland eingeschult, weil dort der 5. Geburtstag als Stichtag für die sogenannte Vorschule gilt, aber das fand alles noch auf spielerischer Ebene statt.

In Paraguay gab ich sie in die elitäre Goethe – Schule, wo sie sich absolut nicht wohl fühlte. Erst mit einer ganz gewöhnlichen paraguayischen Grundschule fanden wir die richtige Lösung. Sie lernte sehr schnell Spanisch und hatte ihre Freude daran wenn sie jeden Tag mit neuen Wörtern nach Hause kam, die sie dann praktisch an uns weiter geben konnte. Aber das ist Geschmackssache. Ich denke Eltern möchten für ihre Kinder stets das Beste aber in dem Fall war das Colegio Göthe nicht adäquat, zumindest nicht für uns.

Kinder müssen sich in ihrem Umfeld wohlfühlen um produktiv sein zu können. Eine Eliteschule führt da nicht unbedingt zum Ziel. Solange es nur um die Grundschule geht, sehe ich da keine wesentlichen Probleme. Schwieriger wird es wenn eine weiterführende Schulbildung angedacht werden muss, weil die meisten Abschlüsse in Europa keine Anerkennung finden. Aber gut in der Situation war ich persönlich ja nicht, weil wir vorher nach Österreich zurück gekehrt sind.

Grundsätzlich sollte man sich schon überlegen ob man Kindern nach Absolvierung der Grundschule nicht die Möglichkeit geben sollte, an einer europäischen Uni zu studieren. Geht es aber um einen Lehrberuf, sehe ich die Chancen dafür aber durchaus auch in Südamerika.

Und was Freunde angeht. Kinder sind so ganz anders als wir Erwachsenen, viel unkomplizierter. Bei ihnen funktioniert sogar die nonverbale Kommunikation perfekt. Die Chemie muss stimmen, alles andere passiert dann ganz von selbst.

Wie stehen Sie heute zu Ihrer Auswanderung?

Ich sehe bis heute keinen Fehler darin, ganz im Gegenteil. Ich möchte keinen Tag missen, obwohl wir natürlich Höhen und Tiefen erlebt haben. Wer sich mit dem Gedanken trägt auszuwandern, dem kann ich nur beipflichten. Er sollte es tun. Schon allein wegen der Lebenserfahrung die man dabei gewinnt. Es sind Erfahrungen und Erinnerungen die einem Niemand mehr nehmen kann und die mich persönlich sehr bereichert haben!

Wäre ich noch mal 20 ich denke ich würde es wieder tun.

Sie haben gerade einen Ratgeber zur Existenzgründung in Paraguay fertig gestellt. An wen richtet er sich und was sind die Themenschwerpunkte?

Nachdem sich der Ratgeber „Leben und arbeiten in Südamerika-Paraguay“ sehr gut verkauft, bot es sich geradezu an auch auf das Thema „Existenzgründung“ näher einzugehen.

Dieser neue Ratgeber, der in den nächsten 3 Wochen am Markt sein wird, richtet sich an all Jene die sich in Paraguay eine langfristige Existenz aufbauen wollen und dazu die entsprechenden Informationen benötigen. Es wurde auch ein Businessplan ausgearbeitet der eine detaillierte Konzept- und Finanzplanung ermöglicht.

Weiters wird die wirtschaftliche und auch politische Situation des Landes beleuchtet. Ein Überblick über die Möglichkeiten einer Selbständigkeit in den verschiedensten Bereichen, sowie adäquates Adressenmaterial runden das Werk ab.

Mir war dabei besonders wichtig, nichts „schön“ zu reden, sondern die Dinge so darzulegen wie ich sie erlebt habe und wie sie auch wirklich sind und gehandhabt werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Steiner!

die Fragen stellte Knut Gierdahl (März 2009)

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